Korruption im Nds. Prüfungsamt

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[enigma]
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von [enigma] »

Scaevola hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:Schamlose Person. Die Flucht ins Ausland erweist sich aber als Knieschuss: Denn da dort bestimmte Persönlichkeitsrechte (m.E. vollkommen zu Recht) nicht einen derartigen Rang haben wie hier, ist nun wenigstens durch italienische Presseberichte der volle Name öffentlich geworden, nebst mug shot.
Findest du es wirklich richtig, dass verhaftete (noch nicht verurteilte) Personen in den Medien derart vorgeführt werden oder überlese ich da nur den Sarkasmus? :-k
Nein, mug shots und Vorführung in Ketten finde ich auch nicht richtig, aber andererseits wird es m.E. hierzulande mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Verdächtigen und Verurteilten etwas übertrieben. Ist natürlich ein weites Feld...
Ok, dann hatte ich dich falsch verstanden. Beide Extreme sind suboptimal :)

Zum Fall: Mich würde vor allem interessieren, wie viele Volljuristen nun davon betroffen sind. Das könnte den Skandal nochmal erheblich ausweiten. Vor allem wäre interessant, wie man den Käufern den Betrug zweifelsfrei nachweisen kann, solange der Herr Richter nicht penibel Buch geführt hat. Jedenfalls dürften deutliche Verbesserungen zu den bisherigen Noten höchstens ein (schwaches) Indiz sein. Und die Formulierungen in den amtlichen Lösungsskizzen im 1. Examen, die ich für Korrekturen gelesen habe, entsprechen sehr oft den einschlägigen Fundstellen in Lehrbüchern und Kommentaren. Letztere darf man ja im 2. Examen (in Ns auch?) sogar benutzen. Solange die Betrüger also nicht so dumm waren, die Lösungsskizze tatsächlich 1:1 wörtlich wiederzugeben, dürfte das ziemlich schwer zu beweisen sein.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben: Zum Fall: Mich würde vor allem interessieren, wie viele Volljuristen nun davon betroffen sind. Das könnte den Skandal nochmal erheblich ausweiten. Vor allem wäre interessant, wie man den Käufern den Betrug zweifelsfrei nachweisen kann, solange der Herr Richter nicht penibel Buch geführt hat. Jedenfalls dürften deutliche Verbesserungen zu den bisherigen Noten höchstens ein (schwaches) Indiz sein.

Man scheint es jedenfalls durch akribische Überprüfungen versuchen zu wollen: http://www.zeit.de/studium/hochschule/2 ... dersachsen

Und gerade, wenn noch Vergleichsklausuren (Erstversuch; ggf. auch 1. Examen) vorhanden sind oder Ausbilder befragt werden können, dürfte via Textanalyse schon einiges zu machen sein. Es mag zwar mal Schwankungen in den Klausurleistungen geben, aber eine gewisse Konstanz in Ausdruck und allgemeinem juristischen Verständnis gibt es dann ja doch.

Und zum Thema, wie dumm Leute sein können, siehe man nur den älteren Berliner Fall:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/berliner-pruefungschaos-richter-soll-examensthemen-ausgeplaudert-haben-a-507120.html hat geschrieben:Doch während die Uniformierten ganz genau hinsahen, kannten manche Referendare die geheimen Klausurthemen bereits: Ein Ausbilder hatte sie ihnen verraten.

Daher stürmten während der Klausur im Fachgebiet Öffentliches Recht plötzlich mehrere Mitarbeiter des Prüfungsamtes der Senatsverwaltung in die Säle: "Kontrolle!" Auf einen anonymen Hinweis hin durchsuchten sie akribisch Klausurbögen und persönliche Gegenstände der Referendare - und wurden fündig. Bei zweien fanden sich Kopien eines Urteils, das eigentlich für diesen Tag als Klausurthema vorgesehen war. Dazu war es aber nicht mehr gekommen, denn das Prüfungsamt hatte aufgrund eines Hinweises - quasi über Nacht - das ursprünglich vorgesehene Klausurthema gegen ein neues ausgetauscht.
Ich meine: Wenn ich schon das Klausurthema kenne, dann nehme ich doch keine Kopie des Urteils mit, die mir, wenn sie entdeckt wird, so oder so als Täuschungsversuch ausgelegt wird. ](*,)
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Parabellum »

Erstaunlich.
http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/2000-Jura-Examen-muessen-wegen-Korruptionsverdacht-ueberprueft-werden hat geschrieben:Er soll dies vor allem Prüfungswiederholern angeboten haben.
[...]
Aufgefallen sind die Unregelmäßigkeiten vor einigen Monaten im niedersächsischen Justizministerium. Bei einigen Examenskandidaten soll es zu bemerkenswerten „Notensprüngen“ gekommen sein. Wer sich bei dem Richter die Examensfragen „kaufte“, wie viele Juristen in die Affäre verwickelt sind, ist unklar. Von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Verden hieß es, so weit sei man noch lange nicht: „Wir reden noch nicht über konkrete Zahlen.“
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von [enigma] »

Parabellum hat geschrieben:Erstaunlich.
http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/2000-Jura-Examen-muessen-wegen-Korruptionsverdacht-ueberprueft-werden hat geschrieben:Er soll dies vor allem Prüfungswiederholern angeboten haben.
[...]
Aufgefallen sind die Unregelmäßigkeiten vor einigen Monaten im niedersächsischen Justizministerium. Bei einigen Examenskandidaten soll es zu bemerkenswerten „Notensprüngen“ gekommen sein. Wer sich bei dem Richter die Examensfragen „kaufte“, wie viele Juristen in die Affäre verwickelt sind, ist unklar. Von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Verden hieß es, so weit sei man noch lange nicht: „Wir reden noch nicht über konkrete Zahlen.“
Erstaunlich vor allem, dass keiner der Wiederholer, die auf das Angebot nicht eingegangen sind, den Mann angezeigt hat. Oder dass es zumindest so lange gedauert hat.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Erstaunlich vor allem, dass keiner der Wiederholer, die auf das Angebot nicht eingegangen sind, den Mann angezeigt hat. Oder dass es zumindest so lange gedauert hat.
Ich finde es nicht besonders verwunderlich. Ich meine Ehrlichkeit ist eine Tugend, aber vor einem Wiederholungsversuch dürften die Wenigsten die Nerven dafür haben - und wenn der Wiederholungsversuch erfolgreich war, will man vielleicht auch kein Risiko eingehen und selbst unter Verdacht geraten.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Motte »

Der muss denen aber dann nicht nur die Sachverhalte, sondern auch die Lösungen zur Verfügung gestellt haben.
Ich fände es nach wie vor interessant zu wissen, wie genau solche "Unregelmäßigkeiten" denn aussehen. Es gibt doch genug Kandidaten, die im 1. Versuch unterirdisch abschneiden und sich dann verbessern. Sei es, dass der 1. Versuch einfach nur Pech war, sei es, dass wegen fehlender Vorbereitung/ Prüfungsangst/ Glück ...
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

Motte hat geschrieben:Ich fände es nach wie vor interessant zu wissen, wie genau solche "Unregelmäßigkeiten" denn aussehen.
Also wenn jemand, der bislang Leistungen allenfalls im Bereich von 4-7 erbracht hat (1. Examen, AG-/Stationszeugnisse), auf einmal zweistellige Klausurergebnisse schreibt und im Schnitt deutlich im befriedigend (wenn nicht noch besser) landet, dann dürfte das wohl auffällig sein und eine genauere Überprüfung rechtfertigen. Und wenn gerade die Gruppe der Prüfungswiederholer betroffen war, dann dürfte es dort ja auch gewisse statistische Erfahrungswerte geben, welche Verbesserungen denn "üblich" und in welchem Umfang Ausreißer nach oben "normal" sind.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:
Motte hat geschrieben:Ich fände es nach wie vor interessant zu wissen, wie genau solche "Unregelmäßigkeiten" denn aussehen.
Also wenn jemand, der bislang Leistungen allenfalls im Bereich von 4-7 erbracht hat (1. Examen, AG-/Stationszeugnisse), auf einmal zweistellige Klausurergebnisse schreibt und im Schnitt deutlich im befriedigend (wenn nicht noch besser) landet, dann dürfte das wohl auffällig sein und eine genauere Überprüfung rechtfertigen. Und wenn gerade die Gruppe der Prüfungswiederholer betroffen war, dann dürfte es dort ja auch gewisse statistische Erfahrungswerte geben, welche Verbesserungen denn "üblich" und in welchem Umfang Ausreißer nach oben "normal" sind.
Also von 4-7 im 1. Examen auf "deutlich befriedigend" im zweiten Examen (also 8,x) dürfte wohl nicht so extrem ungewöhnlich sein. Soll ja Leute geben, denen die Praxis mehr liegt als die Theorie aus dem Studium, oder die einfach spät anfangen sich wirklich reinzuhängen. Stationszeugnisse sind für die Leistungsmöglichkeiten von Referendaren nach allem, was ich bisher gehört habe wohl auch nicht sehr aussagekräftig. Wenn der Sprung dann aber von 4-7 Punkten auf 10+ stattfindet, wird man wohl genauer hinschauen können. Aber selbst dann kann man alleine daraus mE noch keinen Betrugsversuch ableiten. Auch wenn einzelne Klausurergebnisse deutlich aus dem Schnitt herausragen, ist das kein Beweis, kann ja einfach nur am Glück oder einem besonders guten Tag liegen. Eine meiner Klausuren im 1. Examen war ganze sieben Punkte besser als mein sonstiger Schnitt in den Examensklausuren. Da hatte ich halt Glück und in der Vorbereitung die richtige Probeklausur geschrieben.

Solange die Leute dann nicht so dumm sind wie im von dir zitierten Beispiel aus Berlin und die Lösung vernünftig umformulieren (und vor allem nicht mit ins Examen nehmen ](*,) ), dürfte der Nachweis doch sehr schwer fallen.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

[enigma] hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:Schamlose Person. Die Flucht ins Ausland erweist sich aber als Knieschuss: Denn da dort bestimmte Persönlichkeitsrechte (m.E. vollkommen zu Recht) nicht einen derartigen Rang haben wie hier, ist nun wenigstens durch italienische Presseberichte der volle Name öffentlich geworden, nebst mug shot.
Findest du es wirklich richtig, dass verhaftete (noch nicht verurteilte) Personen in den Medien derart vorgeführt werden oder überlese ich da nur den Sarkasmus? :-k
Nein, mug shots und Vorführung in Ketten finde ich auch nicht richtig, aber andererseits wird es m.E. hierzulande mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Verdächtigen und Verurteilten etwas übertrieben. Ist natürlich ein weites Feld...
Ok, dann hatte ich dich falsch verstanden. Beide Extreme sind suboptimal :)
A propos Rechte von Verurteilten - etwas aus Karlsruhe zum "Pranger" als Nebenstrafe:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 12813.html
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Motte »

[enigma] hat geschrieben:Also von 4-7 im 1. Examen auf "deutlich befriedigend" im zweiten Examen (also 8,x) dürfte wohl nicht so extrem ungewöhnlich sein. Soll ja Leute geben, denen die Praxis mehr liegt als die Theorie aus dem Studium, oder die einfach spät anfangen sich wirklich reinzuhängen. Stationszeugnisse sind für die Leistungsmöglichkeiten von Referendaren nach allem, was ich bisher gehört habe wohl auch nicht sehr aussagekräftig. Wenn der Sprung dann aber von 4-7 Punkten auf 10+ stattfindet, wird man wohl genauer hinschauen können. Aber selbst dann kann man alleine daraus mE noch keinen Betrugsversuch ableiten. Auch wenn einzelne Klausurergebnisse deutlich aus dem Schnitt herausragen, ist das kein Beweis, kann ja einfach nur am Glück oder einem besonders guten Tag liegen. Eine meiner Klausuren im 1. Examen war ganze sieben Punkte besser als mein sonstiger Schnitt in den Examensklausuren. Da hatte ich halt Glück und in der Vorbereitung die richtige Probeklausur geschrieben.
Genau die Probleme sehe ich auch.
Stationszeugnisse sind doch wirklich nur begrenzt aussagekräftig. Auch die Ergebnisse der AG-Klausuren (gab's bei uns z.B. nicht) sind ja nur begrenzt aufs Examen übertragbar. Wirklich merkwürdig sind doch nur extreme Punktesteigerungen (und von 5 im 1. Examen auf 8 im 2. Examen find ich jetzt nicht ganz so ungewöhnlich) oder "Stichworte", auf die ein normaler Kandidat nicht gekommen wäre.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Promotology »

[enigma] hat geschrieben:
Erstaunlich vor allem, dass keiner der Wiederholer, die auf das Angebot nicht eingegangen sind, den Mann angezeigt hat. Oder dass es zumindest so lange gedauert hat.
Erstaunlich fände ich es eher, wenn irgendein Wiederholer nicht auf das Angebot eingegangen wäre. Böte mir heut Abend irgendein Teufel die Lösungen der (morgen beginnenden) Klausuren des Verbesserungsversuchs, so würde ich meine Seele verkaufen, ohne mit der Wimper zu zucken (obgleich der Erstversuch lediglich mittelmäßig, nicht einmal grottig, ausgefallen ist).

[Das soll nun allerdings keineswegs eine invitatio sein. Ich bin froh, dass es im hiesigen Gerichtsbezirk wohl nicht zu solchen Geschichten kommt und man insofern nicht so fürchterlich versucht wird.]

:-k bin ich sittlich besonders verroht oder würden das wohl viele hier so machen...? Wer weiß, wer weiß.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Die ersten Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab es nach seinen Angaben 2013. Damals sei bei einem Staatsexamens-Wiederholer aufgefallen, dass dieser in der Abschlussprüfung Leistungen erbrachte, die nach seinen bisherigen nicht plausibel erschienen.

Anfang des Jahres wandte sich dann eine Referendarin an das Justizministerium. Sie berichtete, ihr sei eine Prüfungsskizze mit Lösungswegen für das Abschlussexamen über einen Repetitor angeboten worden – das ist ein Fachmann, der gegen Bezahlung mit Studenten den Prüfungsstoff wiederholt. Bei Juristen ist so ein Repetitorium völlig üblich. Auch gegen diesen Mann werde nun ermittelt, sagte Justizstaatssekretär Scheibel. Seit Bekanntwerden der Festnahme in Italien hätten sich außerdem weitere Leute im Ministerium gemeldet, die ähnliche Dinge wie die Referendarin berichtet hätten.
http://www.welt.de/regionales/hamburg/a ... rueft.html
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

Natürlich gibt es Kandidaten, die sich im 2. Examen deutlich steigern, ohne dass sie in irgendeiner Weise getäuscht haben, oder mal einen einzelnen Glückstreffer bei einer Klausur.
Aber wenn man dann die Gruppe der Wiederholer anschaut, dann hat man ja mit dem Erstversuch ein aktuelles, spezifisches Leistungsbild - und da dürfte eine Steigerung von "nicht bestanden" oder "knapp bestanden" auf 7,x oder 8,x schriftlich durchaus bemerkenswert sein - insbesondere, wenn die vorangegangenen Noten in keinster Weise darauf hindeuten, dass der Betreffende ein solches Ergebnis erreichen könnte.
Und als zweite Komponente dürfte dann noch die mündliche Prüfung ins Spiel kommen: Derjenige, der sich die Klausurlösungen vorher besorgt hat, dürfte dann in der mündlichen Prüfung doch ein Stück weit auffliegen und im Vergleich zum schriftlichen Ergebnis eine eher mäßige Performance abgeben.

Und wenn man die Klausuren untereinander vergleicht, dürfte man auch feststellen können, ob das sprachlich, vom Argumentationsniveau und hinsichtlich der Fähigkeit, die spezifischen Formalien einzuhalten, einigermaßen konsistent ist. Damit dürfte man natürlich diejenigen, die autonom dazu in der Lage sind, eine hervorragende Lösung zu formulieren, wenn sie denn nur das richtige Thema bekommen, nicht entdecken. Aber die dürften dann im Vorfeld auch durchaus entsprechende Leistungen erbracht haben.

Und ich würde jedenfalls behaupten, dass man all meinen Klausuren im 1. Examen durchaus entnehmen konnte, dass ich grds. Ahnung habe und juristisch denken kann, auch wenn es im Einzelfall mal besser und mal schlechter gelungen ist. Und durch eine entsprechende Textanalyse könnte man sicherlich nachweisen, dass die tlw. unterirdischen strafrechtlichen Ausführungen von der gleichen Person stammen, wie die streckenweise genialen grundrechtlichen Ausführungen drei Tage vorher ;)
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

julée hat geschrieben:Natürlich gibt es Kandidaten, die sich im 2. Examen deutlich steigern, ohne dass sie in irgendeiner Weise getäuscht haben, oder mal einen einzelnen Glückstreffer bei einer Klausur.
Aber wenn man dann die Gruppe der Wiederholer anschaut, dann hat man ja mit dem Erstversuch ein aktuelles, spezifisches Leistungsbild - und da dürfte eine Steigerung von "nicht bestanden" oder "knapp bestanden" auf 7,x oder 8,x schriftlich durchaus bemerkenswert sein - insbesondere, wenn die vorangegangenen Noten in keinster Weise darauf hindeuten, dass der Betreffende ein solches Ergebnis erreichen könnte.
Und als zweite Komponente dürfte dann noch die mündliche Prüfung ins Spiel kommen: Derjenige, der sich die Klausurlösungen vorher besorgt hat, dürfte dann in der mündlichen Prüfung doch ein Stück weit auffliegen und im Vergleich zum schriftlichen Ergebnis eine eher mäßige Performance abgeben.

Und wenn man die Klausuren untereinander vergleicht, dürfte man auch feststellen können, ob das sprachlich, vom Argumentationsniveau und hinsichtlich der Fähigkeit, die spezifischen Formalien einzuhalten, einigermaßen konsistent ist. Damit dürfte man natürlich diejenigen, die autonom dazu in der Lage sind, eine hervorragende Lösung zu formulieren, wenn sie denn nur das richtige Thema bekommen, nicht entdecken. Aber die dürften dann im Vorfeld auch durchaus entsprechende Leistungen erbracht haben.
Soweit die Prüflinge nicht (zumal gehäuft) bestimmte Formulierungen - am besten noch nebst markanter Interpunktion ;-) - aus dem Lösungsvermerk übernommen haben, dürfte es trotzdem eher schwer werden, ihnen einen Täuschungsversuch (bzw. eine Täuschung) nachzuweisen. Ich wäre jedenfalls selbst bei einer Häufung von Indizien der von dir aufgezählten Art skeptisch; es kann eben auch alles ganz anders sein.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Eagnai »

Bei uns kam das bei AG-Klausuren schon mal vor, dass die Klausuren einem Teil der AG im Voraus bekannt waren (weil der AG-Leiter in jedem Jahrgang die gleichen Klausuren gestellt hatte), und das war zum Teil schon extrem auffällig - wenn Leute, die das erste Examen nur mit Mühe ganz knapp geschafft haben und auch sonst nie was reißen, plötzlich 15 oder 16 Punkte schreiben, ist das vernünftigerweise kaum anders zu erklären.

In einem Fall war es auch so, dass die Lösungsskizze einen Fehler enthielt und diejenigen, die die Lösung kannten, den brav reproduziert haben. ;)

So einfach wird es im Regelfall natürlich nicht sein mit dem Nachweis.
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