Blindzitate

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mea parvitas
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Blindzitate

Beitrag von mea parvitas »

Wie sind eure Erfahrungen mit Blindzitaten? Je tiefer ich grabe, desto häufiger stoße ich auf falsche (vermutliche) Blindzitate. Teilweise sind sogar "berühmte" Wortzitate falsch und grassieren Zeit seit Jahrzehnten durch die Dissertationen in dem einschlägigen Fachgebiet. Ich habe z.B. gerade eine Dissertation vor mir, die im Durchschnitt pro Seite zur Hälfte aus Fußnoten besteht. Da frage ich mich doch ernsthaft, wie viele von den angegebenen Quellen wirklich recherchiert wurden. Klar wird es hier und da mal ein Blindzitat (wegen Faulheit) geben, aber ich habe das Gefühl, dass das Verhältnis nicht passt ...
Gelöschter Nutzer

Re: Blindzitate

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe genau die gleiche Wahrnehmung, bzw. sogar noch schlimmer: Ich erlebe das auch in marktführenden Kommentaren. Manchmal kann man auch sehr gut rekonstruieren, dass ein ungenaues/falsches Blindzitat in einem Kommentar später von anderen Kommentaren übernommen wird. Ähnliches Phänomen mit genauso fatalen Folgen sind Behauptungen, Rechtsauffassung X sei (ständige) Rechtsprechung von Bundesgericht Y, und hierzu wird auf eine Entscheidung von Bundesgericht Y verwiesen, in der Rechtsauffassung X lediglich in der Darstellung des Sach- und Streitstandes als Klägervorbringen beschrieben wird.
Ich habe z.B. gerade eine Dissertation vor mir, die im Durchschnitt pro Seite zur Hälfte aus Fußnoten besteht. Da frage ich mich doch ernsthaft, wie viele von den angegebenen Quellen wirklich recherchiert wurden. Klar wird es hier und da mal ein Blindzitat (wegen Faulheit) geben, aber ich habe das Gefühl, dass das Verhältnis nicht passt ...
Die Zahl der verwendeten Quellen sagt nichts darüber aus, wie redlich der Verfasser gearbeitet hat. Was Blindzitate angeht, bin ich für absolute Null-Toleranz - insofern lasse ich es auch nicht gelten, wenn jemand nur "hier und da mal" ein Blindzitat verwendet hat. Ich habe bisher weder in meiner Diss noch in einer sonstigen Veröffentlichung ein Blindzitat verwendet, und keine Frage: Es ist mitunter extrem nervig und kann unfassbar viel Zeit kosten, eine Fundstelle zu verifizieren. Das ist es aber wert. Ich weiß nicht, wie Leute, die Blindzitate verwenden, sich selbst noch wissenschaftlich ernst nehmen können.
mea parvitas
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Re: Blindzitate

Beitrag von mea parvitas »

Sollte man sowas einfach schlucken oder kann man ggf. sogar durch einen Hinweis in der Fußnote darauf aufmerksam machen a la "häufig fälschlich als "xxx" zitiert", ohne aber genau Quellen anzugeben, um niemanden bloßzustellen? Mein DV hat's übrigens auch falsch zitiert :-#
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Muirne
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Re: Blindzitate

Beitrag von Muirne »

Irgendwelche Seitenhiebe in Fußnoten sind doch quatsch. Richtig machen und gut.

Und klar ist es nicht toll und ärgerlich, aber es kann mal passieren.


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»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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Re: Blindzitate

Beitrag von Praxiskommentar »

Kommt darauf an. Wenn man zB von der hM abweicht, die auf Blindzitaten basiert, finde ich schon sinnvoll, das klarzustellen. Du musst es ja nicht bloßstellend formulieren.

Wenn es aber für deine eigene Argumentation keinen tieferen Sinn hat, würde ich es auch einfach richtig machen und es dabei belassen.

Mir sind so krasse Fälle von Blindzitaten, die dann überall rezipiert werden, noch nicht über den Weg gelaufen, bei meinem Thema gab's aber auch nicht allzu viel Literatur.
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Muirne
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Re: Blindzitate

Beitrag von Muirne »

Klar, wenn inhaltlich was grob verkannt wird kann man das natürlich kennzeichnen, muss man ja ggfs. Wenn es aber nur an sich um das typische blindzitat geht, dann seh ich keinen Sinn darin darauf hin zu weisen, weil man sich bei der Recherche ärgert.

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Re: Blindzitate

Beitrag von Praxiskommentar »

Wie bereits geschrieben, stimme ich dir freilich zu, dass man nicht ohne tieferen Sinn Seitenhiebe verteilen sollte.

TE spricht ja unter anderem von ""berühmten" Wortzitate", die "seit Jahrzehnten durch die Dissertationen in dem einschlägigen Fachgebiet" gehen. Wenn unter diesen Voraussetzungen möglicherweise das Zitat bestimmter Quellen erwartet wird und bei Ausbleiben negativ auffallen könnte, würde ich mich mit einem entsprechenden Hinweis erklären. Das geht wahrscheinlich ohne Namensnennung..
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Tibor
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Re: Blindzitate

Beitrag von Tibor »

Das berühmte „Blindzitat“ trifft bspw auf die Radbruch‘sche Formel zu. Ich hatte mir damals die Mühe gemacht und den Originalaufsatz besorgt. Meist wird die SJZ auch fehlerhaft mit Schweizer Juristenzeitung zitiert, obwohl es die Süddeutsche ist. Die Zeitung stand vor 10
Jahren nur in einer Handvoll süddeutscher Unibibliotheken; ich hatte mir eine Kopie über Subito gezogen. Die meisten zitieren den Wortlaut aus Sekundärliteratur und packen dann das Primärquellenzitat dran. Ich hab die tatsächliche lektüre der Primärquelle dadurch gekennzeichnet, dass ich ein paar Sätze mehr zitiert habe, als üblicherweise überliefert.
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Muirne
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Re: Blindzitate

Beitrag von Muirne »

Dann wissen wir jetzt immerhin, aus welcher Sekundärquelle man die Radbruchsche Formel schon mal mit gutem Gewissen blindzititieren kann. ;)

Zum Glück gibt's bei meinem Thema relativ wenig Literatur, die ich aber auch bestellen muss. Bei gewissen Themen und Stellen ist das Zitieren dann schon eine große Mühe und Fleißarbeit.

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Re: Blindzitate

Beitrag von Idee1290 »

Ich hatte das Problem einmal massiv in einer Seminararbeit. Irgendwann war ich schon ganz verzweifelt, als mir DER EINE Aufsatz über den Weg gelaufen ist, der die Fehlzitate als solche auch benannt hat. Das war unglaublich erfrischend und hilfreich. Ich würde es daher in der eigenen Arbeit ansprechen und klarstellen. Nicht als Seitenhieb, sondern im Sinne einer sauberen, strukturierten Arbeitsweise.
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Re: Blindzitate

Beitrag von OJ1988 »

Blindzitate sind natürlich zu vermeiden. Wenn das einem für die eher banalen Sachen (allgemein anerkannte Grundsätze, die überall stehen usw.) in seltenen Ausnahmefällen mal passiert, bricht allerdings auch nicht gleich die Wissenschaft zusammen.
mea parvitas
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Re: Blindzitate

Beitrag von mea parvitas »

Ich möchte nicht extra einen neuen Thread aufmachen, deshalb hänge ich die Frage hier einfach mal dran.
Präferiert ihr es, bei der Zeitschriftenzitation in den Fußnoten die Anfangsseitenzahl und dann die genaue Fundstelle (ohne ein "S.") anzugeben oder verzichtet ihr auf die Anfangsseitenzahl und gebt nur die genaue Seitenzahl an (wenn ja mit oder ohne "S.")?

Interessiert das überhaupt jemanden? Ich habe schon so viele Dissertationen gesehen, in denen beide Varianten (in einem Werk) vertreten waren. Womit wir u.U. sogar wieder bei den Blindzitaten sind, weil der "Blindzitierer" einfach die Zitationsweise der Sekundärquelle übernimmt und so innerhalb seines eigenen Werkes inkonsequent ist ...
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Re: Blindzitate

Beitrag von scndbesthand »

Da die Variante ohne Anfangsseite beim Nachschlagen in Datenbanken ggf. Probleme verursacht, ist es besser, die Anfangsseite mit anzugeben.
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Re: Blindzitate

Beitrag von JulezLaw »

scndbesthand hat geschrieben: Donnerstag 26. Juli 2018, 13:57 Da die Variante ohne Anfangsseite beim Nachschlagen in Datenbanken ggf. Probleme verursacht, ist es besser, die Anfangsseite mit anzugeben.
+1
Ich finde es immer wahnsinnig nervig, erstmal die richtige Anfangsseite zu finden.
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Re: Blindzitate

Beitrag von Muirne »

Immer mit Anfangsseite.

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