was macht einen guten Juristen aus?

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Strich
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von Strich »

sai hat geschrieben: Donnerstag 10. Januar 2019, 15:10
Die Frage ist vollkommen offen und nicht auf juratypische Merkmale begrenzt.

Mal ganz abgesehen davon, hast Du oben ausdrücklich einer Aufzählung zugestimmt, die ohne Weiteres auf jeden zweiten Beruf zutrifft.
Die Frage ist nicht vollkommen offen. Das wäre sie, wenn sie gelautet hätte "was sind gute Eigenschaften".

Aber gut, es macht wenig Sinn das weiter zu vertiefen. Ich wollte lediglich der immer allgemeiner werdenenden Antworten vorbeugen, die dem TE nichts bringen. Am Ende wären wir bei: ist ein guter Mensch, gelandet, toll.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Herr Anwalt
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von Herr Anwalt »

Meine Top 5:

1. Entscheidungsfreude.
2. Gutes Gefühl für Sprache.
3. Kreativität - Im Studium weniger, in der Praxis unheimlich wichtig.
4. Logisches Denken.
5. Ausdauer.
Maryus
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von Maryus »

Für meine Begriffe und aus meiner Erfahrung sind dié nachfolgend geschilderten und begründeten Aspekte wirklich hilfreich, wenn man geplant oder ungeplant (wie ich) in der Wirtschaft landet als Justitiar o.ä. .

Disclaimer:
Alle Punkte treffen aus meiner Erfahrung auf Damen wie Herren gleichermaßen zu, sowie alles, was sich außerhalb davon oder dazwischen befindet. Ich bleibe der Einfacheit und Lesbarkeit halber darum bei der männlichen Variante, meine damit alle anderen. Wer sich trotzdem nicht angesprochen fühlt geht einfach weiter zum nächsten Eintrag.

Hier also meine Empfehlungen aus Erfahrungen als Jurist in verschiedensten Bereichen:

Logisches Denken (Das Recht ist glücklicherweise erstaunlich logisch aufgebaut, auch wenn Dir drei, naja zumindest ein Gegenbeispiel auf Anhieb einfällt!))
Gutes Sprachvermögen (Die Sprache ist das handwerkszeug der Juristen. Ist so.)
Komplizierte Dinge einfach erklären können (Mandamten, Richter und oft genug Dein gegenpart auf der anderen seite werden dankbar dafür sein! Mach es einfach, arbeite mit Bildern!)

Sherlock Holmes sein: In der Wirtschaft sind 90 -95 % Sachverhaltsaufklärung und 5 % Rechtsanwendung. Es gibt gute Gründe, warum die typische Juristenantwort lautet "Es kommt darauf an". Zum einen kommt es darauf an, was Du bzw. Dein Gegenüber (Mandant, Kollege, Kunde) erreichen willst und ob und wie man das dann ggf. verargumentieren kann, zum anderen kommt es aber entscheidend auf den Sachverhalt an. Frage nach, frage blöd nach, frage dreimal nach, lass das Gegenüber mit seinem Wissen glänzen. Egal! Wenn Er/Sie eine klare Entscheidung braucht, brauchst Du einen klaren Sachverhalt!

In der Wirtschaft definitiv: Lösungsorietiert sein und nicht (nur) problemorientiert: Du musst die Gefahren erkennen und erläutern, aber einen Weg aufzeigen, wie es trotzdem geht. Sei ehrlich dabei und sprich die Risiken offen an, gib dem Gegenüber die Möglichkeit, sich zu entscheiden, Du wirst im Zweifel als Ermöglicher gebraucht. Das gilt nicht für Richter und Staatsanwälte, aber die machen ja auch weniger als 10 % von uns aus.

Entscheidungsfreude: Das bedeutet, Du zeigst einen möglichen und von Dir vertretbaren Weg auf! Nicht den besten(falls es den überhaupt gibt) sondern einen, den Du vetreten kannst. Es sei denn, Du hast episch Zeit und kannst dem Fall 14 Tage widmen und das Gegenüber bezahlt Dich nach Stunden. Ansonsten gilt: Gib eine Lösung, die vertretbar ist, und mit der das Gegenüber weitermachen kann. Du bist im Zweifel das Nadelör und notfalls arbeitest Du mit "Nach meinem Verständnis..." "Aus meiner Sicht..." "Ich denke, das ist ist so vertretbar." Ja, ein billiger Trick, aber es ist ja tatsächlich eine Ansicht, die Du persönlich für vertretbar hältst.

Paragraphen sind super, wenn Du einen anderen Juristen beeindrucken willst, aber nicht bei den Nichtjuristen. Viel wichtiger aus meiner Erfahrung sind die Rechtsgrundsätze. Wenn Du also ein gutes Gespür dafür entwickelst, warum ein Rechtsgrundsatz gilt und wann, hilft das oft schon weiter, denn oft genug wird von Dir in einem Gespräch erwartet, eine (gangbare, s.o.) Lösung parat zu haben, ohne Dr. Google, den Palandt (ersetze bitte durch neuen Namen, welcher das auch immer derzeit gerade ist) oder alte Studienkameraden zu Rate zu ziehen.

Das bedeutet: Sei präsent, höre zu, denke mit, frage nach, kenne die Regeln des Rechts, und sei entscheidungsfreudig. Das ist das, was Dir im Alltag in den meisten Fällen weiterhelfen wird!

Alles Gute
Maryus
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Schnitte
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von Schnitte »

Ein guter Jurist ist vor allem nicht nur Jurist und auch kein Fachidiot. Er kennt die Meriten, aber auch die Grenzen seines eigenen Fachgebiets. Er hat Interessen, die über die Juristerei hinausgehen, und vermeidet es, im Bereich dieser Interessen juristische Phrasen zu dreschen, um damit Eindruck zu schinden.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von gola20 »

Jeder, der hier antwortet, ohne vorher "guter Jurist" zu definieren, ist schon einmal kein guter Jurist.
Joshua
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Re: was macht einen guten Juristen aus?

Beitrag von Joshua »

Herr Anwalt hat geschrieben: Donnerstag 10. Januar 2019, 16:59 Meine Top 5:

1. Entscheidungsfreude.
2. Gutes Gefühl für Sprache.
3. Kreativität - Im Studium weniger, in der Praxis unheimlich wichtig.
4. Logisches Denken.
5. Ausdauer.
1.
Das ist eine ausgesprochen gute Liste!

2.
Ich teile dabei auch den Grundansatz, dass es nicht das eine Kriterium gibt, sondern mehrere.

3.
Wichtig ist mE, dass die Kriterien nicht bzw. nicht ohne weiteres wechselseitig kompensierbar sind.

Beispiel dazu:
Ich hatte mal einen guten Kameraden, der ein toller Mathematiker und Physiker (beides mit 14 bzw. 15 Punkten im Abi abgeschlossene LK-Fächer) war (heißt hier: logisches Denken locker 100 von 100), dem es aber an Kreativität mangelte; er brach Jura dann trotz hoher Intelligenz nach 3 Semestern ab.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
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