Berufsanfang Strafrecht am AG

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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Sonnenschein111
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Sonnenschein111 »

Vielen Dank an euch alle für die zahlreichen Tipps und Anregungen! Passend zu Thema Arbeitsbelastung und "Pragmatismus" frage ich mich: Wie ist denn die Erledigungsquote eines Strafrichters am AG? Ich hätte gerne eine Vorstellung davon, was man so in einer Woche abarbeiten muss.

Hat jemand Erfahrung?
stilzchenrumpel
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von stilzchenrumpel »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Sonntag 24. Februar 2019, 16:32 Vielen Dank an euch alle für die zahlreichen Tipps und Anregungen! Passend zu Thema Arbeitsbelastung und "Pragmatismus" frage ich mich: Wie ist denn die Erledigungsquote eines Strafrichters am AG? Ich hätte gerne eine Vorstellung davon, was man so in einer Woche abarbeiten muss.

Hat jemand Erfahrung?
Ungefähr so viel wie eingeht :D die absolute Zahl würde vermutlich wenig aussagen. Entscheidend ist doch der Arbeitsaufwand pro Verfahren. Die Eingänge und Dezernatsbestände dürften sich regional erheblich unterschieden.

Ohne eigene Erfahrung schätze ich mal: 50 bis 60 / Monat?
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Sonnenschein111
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Sonnenschein111 »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Sonntag 24. Februar 2019, 21:44
Sonnenschein111 hat geschrieben: Sonntag 24. Februar 2019, 16:32 Vielen Dank an euch alle für die zahlreichen Tipps und Anregungen! Passend zu Thema Arbeitsbelastung und "Pragmatismus" frage ich mich: Wie ist denn die Erledigungsquote eines Strafrichters am AG? Ich hätte gerne eine Vorstellung davon, was man so in einer Woche abarbeiten muss.

Hat jemand Erfahrung?
Ungefähr so viel wie eingeht :D die absolute Zahl würde vermutlich wenig aussagen. Entscheidend ist doch der Arbeitsaufwand pro Verfahren. Die Eingänge und Dezernatsbestände dürften sich regional erheblich unterschieden.

Ohne eigene Erfahrung schätze ich mal: 50 bis 60 / Monat?
Das würde bedeuten, dass erwartet wird, dass man immer so viel abarbeitet, wie reinkommt. Aber stimmt das wirklich?

60 Verfahren würden ja (ohne Urlaub und Feiertage) mehr als 14 pro Woche bedeuten. Also mit zwei Verhandlungstagen die Woche jeweils 7 Verhandlungen am Tag (ohne Folgetermine). Das klingt ziemlich "gewaltig".
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Naja, wenn da OWi-Verfahren mit reinzählen, dann erscheint die Zahl sicher realistisch machbar
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thh
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von thh »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Sonntag 24. Februar 2019, 21:44Ohne eigene Erfahrung schätze ich mal: 50 bis 60 / Monat?
60 Sachen war (ist?) der übliche Eingang eines allgemeinen Zivildezernats. Wie das in Strafsachen aussieht: keine eigene Erfahrung.
Sonnenschein111 hat geschrieben: Montag 25. Februar 2019, 14:30Das würde bedeuten, dass erwartet wird, dass man immer so viel abarbeitet, wie reinkommt. Aber stimmt das wirklich?
Ja, das wird - aufs Jahr gesehen - erwartet. Wie soll es auch sonst gehen? Wenn man nicht (mindestens) so viel erledigt, wie reinkommt, bauen sich Rückstände auf. Wer soll die wegzaubern?
Sonnenschein111 hat geschrieben: Montag 25. Februar 2019, 14:3060 Verfahren würden ja (ohne Urlaub und Feiertage) mehr als 14 pro Woche bedeuten. Also mit zwei Verhandlungstagen die Woche jeweils 7 Verhandlungen am Tag (ohne Folgetermine). Das klingt ziemlich "gewaltig".
7 Strafrichtersachen an einem Sitzungstag ist jetzt nicht so gewaltig, und Fortsetzungstermine sind beim Strafrichter auch eher selten. Zudem wird nicht gegen jeden Strafbefehl Einspruch eingelegt, und OWi-Sachen sind ja, wie erwähnt, auch dabei.
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Sonnenschein111 »

Hat jemand ne Vorstellung wie viel nach PEBB§Y z.B. ein Strafbefehl oder eine OWI "wert" ist. Wie lange darf ich also dafür brauchen? Macht es nach PEBB§Y einen Unterschied, ob bestimmte Prozesshandlungen stattfinden (also z.B. ob ein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird oder nicht)?
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von stilzchenrumpel »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Dienstag 5. März 2019, 21:07 Hat jemand ne Vorstellung wie viel nach PEBB§Y z.B. ein Strafbefehl oder eine OWI "wert" ist. Wie lange darf ich also dafür brauchen? Macht es nach PEBB§Y einen Unterschied, ob bestimmte Prozesshandlungen stattfinden (also z.B. ob ein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird oder nicht)?
Pebbsy wurde eigentlich entwickelt, um den Personalbedarf der Justiz zu ermitteln. Du denkst dir das völlig falsch.

Pebbsy "weiß" zb nur, dass im Erhebungszeitraum die Richter der Sozialgerichte in Deutschland, die teilnahmen, im Durchschnitt (!) 4 Stunden für ein SGB II verfahren brauchten. Da ist alles von 5 Minuten (die klage wird nach Eingang der Klageerwiderung einfach zurückgenommen) über das Grundsatzurteil mit 40 std Zeitaufwand alles dabei. Pebbsy differenziert bei SGB II zB nicht weiter. Wie differenziert damals für Strafrecht erhoben wurde, kann ich dir im Detail nicht sagen. aber garantiert nicht für 300 Konstellationen. Pebbsy wurde als mathematische Formel durch PwC entwickelt ;) und ist unrealistisch.

Okay egal.

Pebbsy gibt dir nicht vor, wie lange du brauchen "darfst", sondern bestimmt im wesentlichen, dass man durchschnittlich für bestimmte Verfahren eine bestimmte Zeit brauchen könnte.

Bei Wikipedia gibst Beispiele für Staatsanwälte

"Ermittlungsverfahren wegen Betruges, Untreue, Diebstahls, Unterschlagung, Körperverletzung (inklusive Verfassen der Anklage und Teilnahme an der Hauptverhandlung vor Gericht): 70 Minuten"

Als Proberichter kann ich dir nur empfehlen, nicht auf Pebbsy achten, sondern auf ein faktisch laufendes Dezernat ;) das merkt man dann schon, ob man genug erledigt. Gerade als Strafrichter übernimmst du sicher einen Terminstand.
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von thh »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Dienstag 5. März 2019, 21:07Hat jemand ne Vorstellung wie viel nach PEBB§Y z.B. ein Strafbefehl oder eine OWI "wert" ist. Wie lange darf ich also dafür brauchen?
Ich nicht, aber das kann man nachschauen. Das ist allerdings nur von begrenzter Relevanz - nicht nur, dass die Pebb§y-Zahlen eine Mittelung darstellen, sie sind auch unter realer Belastung erfasst; will sagen, sie geben nicht wieder, wieviel Zeit ein solches Verfahren eigentlich benötigte, sondern wieviel Zeit man sich dafür nehmen konnte. Außerdem wirst Du (zumindest als Assessor) daran gemessen, dass im Schnitt keine Rückstände entstehen, Du also über einen längeren Zeitraum im Schnitt so viel erledigst, wie eingeht - und die Personalausstattung entspricht eigentlich nirgendwo dem, was lt. Pebb§y erforderlich wäre, d.h. es muss mehr erledigt werden, als Pebb§y vorsieht. Der sog. Pebb§y-Deckungsgrad (d.h. der Vergleich der tatsächlich vorhandenen Arbeitskraft zu der statistisch erforderlichen Arbeitskraft) lag hier in der Regel im höheren Dienst bei den Gerichten zwischen 92% und 97% und bei den Staatsanwaltschaften unter 90% (meist zwischen 85% und 88%).
Sonnenschein111 hat geschrieben: Dienstag 5. März 2019, 21:07Macht es nach PEBB§Y einen Unterschied, ob bestimmte Prozesshandlungen stattfinden (also z.B. ob ein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird oder nicht)?
Nein. Zu den Pebb§y-Produkten oder Sachgebieten werden Verfahren sehr breit zusammengefasst, also bspw. unterschieden zwischen OWi, Strafrichter, Schöffengericht, Strafkammer, Jugendkammer, Schwurgericht, Wirtschaftsstrafkamer, ganz egal, ob das Verfahren beim Strafrichter 30 Seiten Akte hat und in 20 Minuten erledigt ist oder mit 2 Stehordnern ankommt und mehrere Sitzungstage braucht. Das hat sich theoretisch bei der statistischen Grunderhebung ausgeglichen.
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Sonnenschein111 »

Alles klar, danke ihr zwei! Jetzt hab ich eine gute Vorstellung davon, wie das funktioniert.
Liz
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Liz »

Sinnvoll ist es, sich zu Beginn mal den Dezernatsbestand, die Jahreseingangszahlen und den Terminstand anzuschauen und sich auszurechnen, wie viele Verfahren man pro Woche (abzüglich Urlaub, Feiertage, Krankheit und Fortbildungen) erledigen muss, um den Bestand mittel- und langfristig zu halten bzw. leicht zu reduzieren. Daraus ergibt sich dann die Anzahl an Verfahren, die man pro Woche ungefähr verhandeln muss und - unter Berücksichtigung der sonstigen Arbeitsbelastung - zugleich die Zeit, die man tatsächlich für das einzelne Verfahren aufwenden kann/muss.
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Sonnenschein111 »

Liebe Forumsgemeinde,

ich habe schon wieder eine Frage ::oops:

Es geht um die Höhe des Tagessatzes. Wenn Strafbefehle, entworfen von der StA, vor mir liegen wundere ich mich oft über die "geringen" Tagessatzhöhen. Auch ist mir aufgefallen, dass die StA (bei mir) häufig geringere Tagessatzhöhen beantrag, als rechnerisch (Netto-Einkommen/30) herauskämen. Bei einem Einkommen von z.b. 1600 Euro netto wir eher ein TS von 30 Euro als 53 Euro (wie es rechnerisch wären) beantragt. Mich verunsichert das etwas.

daher die Frage: Warum ist das so (oder habt ihr das anders erlebt?) und wie geht ihr damit um?
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Ara
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Ara »

Auch wenn Tibor wieder maulen wird: Der Strafbefehl wird häufig zur schnellen Erledigung genutzt (manche böse Zungen behaupten auch zur staatlichen Erpressung). Um Einsprüche zu vermeiden, wird extra tief gegriffen bei der Tagessatzhöhe. Wirtschaftlich lohnt sich der Einspruch dann nicht. Manche sagen dann „ich mach eh nix mehr, ich überstehe den Eintrag im BZR“ und akzeptieren den.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Swann »

Ara hat geschrieben: Montag 8. April 2019, 20:49 Auch wenn Tibor wieder maulen wird: Der Strafbefehl wird häufig zur schnellen Erledigung genutzt (manche böse Zungen behaupten auch zur staatlichen Erpressung). Um Einsprüche zu vermeiden, wird extra tief gegriffen bei der Tagessatzhöhe. Wirtschaftlich lohnt sich der Einspruch dann nicht. Manche sagen dann „ich mach eh nix mehr, ich überstehe den Eintrag im BZR“ und akzeptieren den.
Strukturell ist das der Vorteilsgewährung aber näher als alles andere. Wenn dein Handwerker dir anbietet "Ohne Rechnung 500, sonst 1000", dann ist das nicht in Ordnung, aber Erpressung ist es nicht.
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Tibor »

*gähn
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Liz
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Re: Berufsanfang Strafrecht am AG

Beitrag von Liz »

@Ara: Wenn das Einkommen bekannt ist, halte ich es allerdings für verwunderlich, extraniedrige Angebote zu machen, die nicht mehr ernsthaft tat- und angemessen sind. Ich kenne es eher als praktisches Problem, das Einkommen des Beschuldigten halbwegs richtig zu schätzen, was dann dazu führt, dass lieber einmal zuviel angenommen wird, der Beschuldigte lebe von ALG II.

@TE: Kann es sein, dass bei Euch auch die Miete usw. in Abzug gebracht werden? Ich würde einfach mal einen Kollegen fragen, was bei Euch "üblich" ist. Und im Übrigen zwingt Dich niemand, den Strafbefehlsentwurf so zu unterschreiben. Du kannst ihn auch an die StA mit der Bitte um Anpassung der Tagessatzhöhe zurückschicken. Im schlimmsten Fall stellt Dir die StA ein Vorgehen nach § 408 III 2 StPO anheim.
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