bessere Klausuren schreiben

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LukasW
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bessere Klausuren schreiben

Beitrag von LukasW »

Hallo an alle,

ich komme mir ein bisschen doof vor mit meiner Frage, aber: Wie schaffe ich es, im 2. Examen bessere Klausuren zu schreiben? Worauf kommt es - eurer Meinung nach - an? (Richtet sich vor allem natürlich an die, die schon erfolgreich ihr 2. Examen abgeschlossen haben)

Ich hab das Gefühl, ich dümpel immer auf dem gleichen Notenniveau herum und verbessere mich nicht. Gilt sowohl für Klausuren aus einem kommerziellen Klausurenkurs als auch AG-Klausuren. Ich hatte ein gutes 1. Examen und hätte natürlich gerne eine ähnlich gute Note im zweitem, aber irgendwie tu ich mir mit den Klausuren viel schwerer. Woran könnte das liegen?

Ich hab auch das Gefühl, viel schlechter einschätzen zu können, was ich weglassen kann und was nicht. Und dass das auch jeder Korrektor anders haben will. Der eine kreidet mir an, dass ich die Eröffnung der Verwaltungsrechtswegs prüfe, obwohl sie unproblematisch ist, und der andere wertet es mir in der nächsten Klausur als Fehler, wenn ich sie weglasse. ::roll:
Glaube aber nicht, dass es alleine daran hakt.

Zeitprobleme habe ich selten, hatte ich auch im 1. Examen nicht.

Irgendwelche Tipps oder Ideen? Dafür wäre ich echt dankbar.
Gelöschter Nutzer

Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wirklich helfen kann ich dir leider nicht, aber mir geht es teilweise ähnlich, bin also zumindest Leidensgenosse (Examen steht noch aus).

1. Was man m.E. kaum ändern kann: viele Korrektoren haben sehr spezielle Sonderansichten zu Punkten, die man tatsächlich "nicht wissen" oder "so oder so" machen kann. Nach meiner Erfahrung kann man insoweit leider wenig tun, außer: die "wohl hM" im eigenen Bundesland finden und sich danach richten. Das betrifft etwa formale Feinheiten, wie ob man z.B. eine Parteianhörung (!) im Tatbestand erwähnt oder nicht, was im Einzelnen in den Einleitungssatz gehört usw. Leider auch hierzu gehört nach meiner Erfahrung auch die Bedeutung der "richtigen" Lösung. Jedenfalls im 1. Examen habe ich bei einer gut begründeten Klausur, Ergebnis egal, immer mindestens so 8-9 Punkte bekommen; im Klausurenkurs 2. Examen habe ich schon erlebt: Beschlussklausur (ÖR), formal alles richtig, Argumentation, Urteilsstil usw. mit keinem Wort kritisiert. Aber: Ergebnis (immerhin eine Ansicht der Partei, welche diese ausführlich begründet hat und nicht fernliegend erschien) sei unvertretbar, 4 Punkte.

2. Im Übrigen hat jedenfalls mir Übung etwas geholfen: teilweise ist der Urteilsstil am Anfang noch sehr ungewohnt, was sich mit der Zeit bessert; die Obersätze wirken am Anfang z.T. verwirrend (Bsp.: "hinreichender Tatverdacht" bei der StA), aber irgendwann wird es zur Gewohnheit.

Zu Punkt 2. gehört auch ein Gewisses "Gespür": manche Dinge gelten im 1. Examen als super, im 2. als amateurhaft. Bsp.: wenn du einen Verkehrsunfall mit wechselseitigen Klagen/Widerklagen hast, ist es im 1. Examen grandios, wenn du genau zwischen allen Beteiligten unterscheidest und gliederst (I., II., ... 1., 2...), das gilt als sauber und strukturiert. Demgegenüber zerlegt es dich im 2. bei ähnlichem Vorgehen (jedenfalls im Urteil) geradezu. Da wird erwartet, dass du die Versicherer idR in einem Wasch gleich mitbearbeitest und nur einen zusätzlichen Satz schreibst.
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thh
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von thh »

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 1. Mai 2019, 20:34Leider auch hierzu gehört nach meiner Erfahrung auch die Bedeutung der "richtigen" Lösung. Jedenfalls im 1. Examen habe ich bei einer gut begründeten Klausur, Ergebnis egal, immer mindestens so 8-9 Punkte bekommen; im Klausurenkurs 2. Examen habe ich schon erlebt: Beschlussklausur (ÖR), formal alles richtig, Argumentation, Urteilsstil usw. mit keinem Wort kritisiert. Aber: Ergebnis (immerhin eine Ansicht der Partei, welche diese ausführlich begründet hat und nicht fernliegend erschien) sei unvertretbar, 4 Punkte.
Im Grundsatz (!) ist das angesichts der höheren Praxisorientierung des 2. Examens m.E. auch nicht verkehrt. Es genügt ja nicht, etwas gut begründet zu schreiben, wenn nun einmal die Rechtsprechung eine ganz andere ist; das ist dann eine nette intellektuelle Übung, aber nicht hilfreich.
Gelöschter Nutzer

Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Sicherlich, nur dann jedenfalls in dem Fall (wenn man diesen Maßstab anlegen mag) für eine Prüfungssituation ohne Kommentar für das betreffende Rechtsgebiet, das nicht zum Pflichtstoff gehört (in dem Fall: Schulrecht), nicht unbedingt gut geeignet.

Ob nun etwas ein „wichtiger Grund“ ist, diese oder jene Schule besuchen zu dürfen, lässt sich in der Klausur eben nur anhand des Parteivortrags und des eigenen Judizes beurteilen. Soll die falsche (?) Entscheidung aufgrund des falschen Judizes (?) nun trotz umfangreicher Begründung als kaum brauchbar bewertet werden?
LukasW
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von LukasW »

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 1. Mai 2019, 20:34 Jedenfalls im 1. Examen habe ich bei einer gut begründeten Klausur, Ergebnis egal, immer mindestens so 8-9 Punkte bekommen; im Klausurenkurs 2. Examen habe ich schon erlebt: Beschlussklausur (ÖR), formal alles richtig, Argumentation, Urteilsstil usw. mit keinem Wort kritisiert. Aber: Ergebnis (immerhin eine Ansicht der Partei, welche diese ausführlich begründet hat und nicht fernliegend erschien) sei unvertretbar, 4 Punkte.
Ja, GENAU SO geht es mir auch! Ich schaffe es irgendwie ständig, die "Mindermeinung" zu vertreten ::roll: dass das dann zu 4 Punkten führt, wenn die hM/ Rspr im Kommentar steht, sehe ich ja noch ein. Aber in vielen Fällen weiß man sie schlicht nicht (wie du ja auch in deinem letzten Post geschrieben hast) und dann finde ich 4 Punkte bei ansonsten konsequenter und formal richtiger Lösung schon hart. Vor allem, wenn noch in der Lösungsskizze selbst steht "a. A. vertretbar"

Zu den anderen von dir angesprochenen Punkten:

1. Urteilsstil etc. hab ich inzwischen raus, das wird auch nie bemängelt. Einzelne Untergliederungen (I. II., 1. a) ...) o.Ä. mache ich nicht. Das Formale dürfte grundsätzlich passen.
2. Das Beispiel mit dem Verkehrsunfall hat mich jetzt etwas überrascht. Ist das wirklich so, dass man beide Beklagte dann in einem "Aufwasch" prüfen muss? Habe ich in der AG teilweise schon anders gehört. Ich würde da jetzt einen gemeinsamen Obersatz schreiben, dann den Anspruch gegen den Versicherten prüfen und dann mit einem Satz die daraus folgende Haftung der Versicherung bejahen/ verneinen.
Zuletzt geändert von LukasW am Mittwoch 1. Mai 2019, 22:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von stilzchenrumpel »

Im 2. Examen fand ich quasi jeden Satz in den Klausuren zu verwerten, als Tatsache oder mögliche Rechtsansicht. Mit dieser Einstellung bin ich in jede Klausur gegangen. Ich habe mich eher weniger auf das eigene Wissen, sondern viel mehr auf eine pragmatische Herangehensweise mit den mir zur Verfügung stehenden Arbeitsmitteln (dem SV, Gesetz und den Kommentaren) verlassen...
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
LukasW
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von LukasW »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Mittwoch 1. Mai 2019, 22:11 Im 2. Examen fand ich quasi jeden Satz in den Klausuren zu verwerten, als Tatsache oder mögliche Rechtsansicht. Mit dieser Einstellung bin ich in jede Klausur gegangen.
Das habe ich schon im ersten Examen so gemacht und mache ich immer noch so ;) ich versuche auch, jeden Satz irgendwo unterzubringen.
Ich habe mich eher weniger auf das eigene Wissen, sondern viel mehr auf eine pragmatische Herangehensweise mit den mir zur Verfügung stehenden Arbeitsmitteln (dem SV, Gesetz und den Kommentaren) verlassen...
Guter Punkt. Daran könnte es eher liegen, also die "pragmatische" Herangehensweise. Gerade im Hinblick auf den Sachverhalt. Ich konzentriere mich vielleicht zu viel auf die rechtliche Argumentation und zu wenig auf die "praktische"...

Vielen Dank euch schonmal für eure Hinweise!
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von Vorhangauf »

Wenn man auf den ersten Blick zu erkennen meint, wer das Verfahren gewinnt, stimmt das nach meiner Erfahrung in 95% der Fälle auch. Gerade im öffentlichen Recht ist das auffällig ("Staat gewinnt immer, Bürger mit hanebüchenen Ausreden") - sogar im Zivilrecht nicht selten anzutreffen. Offenbar geht es wirklich mehr darum, wie in der Praxis die Sachen "wegzuarbeiten". Mit ein bisschen Übung lässt man dann alles, was inhaltlich unnötig umständlich ("zu dogmatisch") wäre (aber an der Uni so gelernt wurde), irgendwann von selbst weg und die Korrektoren freuen sich, dass sie was lesen, was sie selbst auch so gemacht hätten.

Keine Zeitnot zu haben ist aber wirklich eine Leistung. Vielleicht lässt sich da ja noch was drehen...? ;-)
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von guardini »

Ein paar Gedanken ohne Anspruch auf Systematik oder Vollständigkeit:

Klarer Urteilsstil ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wird aber trotzdem punktemäßig honoriert. Erstaunlich häufig wird der Urteilsstil aber unter Überspringen des Normzitats dargeboten. Das mag bei einfachen Prüfungspunkten praxisgerecht sein, aber an der einen oder anderen prominenten Stelle wäre es schon schön, den Gesetzestext zu lesen. Im Öffentlichen Recht wäre dies immer die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage, in Revisionsklausuren schadet es nicht, eine möglicherweise verletzte Verfahrensnorm zumindest am Anfang der Klausur zu zitieren.

Es gibt meistens ein bis zwei Stellen in Klausuren, in denen man ausführlich argumentieren kann und soll. Der Urteilsstil verführt zur Apodiktik, aber natürlich soll man auch im zweiten Examen noch zeigen, dass man eine Norm lege artis auslegen und anwenden kann. Viele BGH-Entscheidungen im Zivilrecht sind da hervorragende Anschauungsobjekte. Man kann in der Klausur nicht so ausführlich wie die Karlsruher Weisen argumentieren, aber gute Begründungen sind immer gerne gesehen. Manchmal sind es nur gewisse Formulierungen, die Praxisnähe zeigen oder zumindest simulieren und den Korrektor denken lassen "Das könnte ich geschrieben haben, hier habe ich einen Kollegen vor mir". Aber auch durch Aufbau und Rhetorik kann man überzeugen. Im Anspruch teilweise etwas ätherisch, aber in einigen Punkten wirklich hilfreich fand ich das Buch von Florian Metz: Spitzenklausuren im Assessorexamen.

Mit Klausurtaktik kommt man oft weit. Gerade im Zivilrecht würde ich behaupten, dass man über 80 % der Klausuren nur anhand von taktischen Überlegungen ergebnisrichtig entscheiden kann. Das sollte zwar nicht über den Klausurenerfolg entscheiden, gibt aber während der Bearbeitung Zuversicht und wird von Korrektoren eben doch oft (unterbewusst) bevorzugt.

Schließlich sollte man so viele Originalklausuren mit Lösungsskizzen finden wie möglich. So kann man einige der ländertypischen Marotten identifizieren. In NRW z.B. ist mir dabei folgendes aufgefallen: Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird immer umfassend und kleinschrittig dargestellt. Ebenso Fristberechnungen. Hier zu kürzen oder "praxisnah" nur die problematischen Punkte anzusprechen, wäre fahrlässig. Die Fallgruppen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses werden immer alle zumindest genannt, und seien sie noch so fernliegend. Der Verwaltungsrechtsweg taucht übrigens fast nie auf und muss daher in den meisten Fällen nicht einmal erwähnt werden. Dass ein Zeuge als neutraler Unbeteiligter kein erkennbares Belastungsinteresse hat, findet sich oft als Abschluss bei der Beweiswürdigung.
LukasW
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von LukasW »

Vielen Dank für eure Antworten!

@Vorhangauf:
in ÖR gebe ich dir da recht, in Zivilrecht finde ich es dagegen nicht so offensichtlich, wer den Rechtsstreit gewinnen muss. Ich finde, da trügt das Bauchgefühl wegen evtl. Beweislastentscheidungen manchmal sogar. Aber ja, an der Praxisnähe könnte ich noch arbeiten.
Und wie meinst du das mit der Zeitnot? Wieso sollte ich da was drehen? Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich zeitlich immer gut hinkomme ;) ich meinte mit "wenig Zeitprobleme" einfach, dass ich immer gut fertig werde, nicht, dass ich schon eine halbe Stunde oder länger vorher abgebe.

@guardini:
Die Schwerpunkte (noch) ausführlicher zu diskutieren, wäre sicher nicht verkehrt, ja. Das mit den vielen (Original)Klausuren mache ich schon. Finde es aber interessant, was du zu den "ländertypischen Marotten" gesagt hast. Darauf habe ich bisher gar nicht so geachtet., werde ich nun aber tun ;)
In das Buch von Metz hab ich auch mal reingeschaut. Aber irgendwie konnte ich damit nicht so viel anfangen. Das meiste, was er geschrieben hat, fand ich selbstverständlich. Hab aber, wie gesagt, auch nicht alles gelesen.
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Re: bessere Klausuren schreiben

Beitrag von Vorhangauf »

LukasW hat geschrieben: Sonntag 5. Mai 2019, 20:29 Vielen Dank für eure Antworten!

@Vorhangauf:
Und wie meinst du das mit der Zeitnot? Wieso sollte ich da was drehen? Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich zeitlich immer gut hinkomme ;) ich meinte mit "wenig Zeitprobleme" einfach, dass ich immer gut fertig werde, nicht, dass ich schon eine halbe Stunde oder länger vorher abgebe.
Das war eher flapsig gemeint, aber die Klausuren sind ja bekanntlich schon so gestrickt, dass 99% der Leute Zeitprobleme kriegen (könnten). Das muss nicht heißen, dass sie nicht fertig werden, aber dass es doch recht hektisch wird. Falls dir das nicht passiert, kann es sein, dass du überragend effizient arbeitest, vielleicht gibt es aber auch Stellen, die du routinemäßig vernachlässigst (vielleicht, weil vermeintlich trivial - was ja manchmal auch stimmt), was dann vielleicht einen Teil deiner Ausgangsfrage beantworten könnte.

Ansonsten möchte ich der sehr kenntnisreichen Antwort von guardini huldigen und stelle für die Zukunft anheim.
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