Theopa hat geschrieben: ↑Dienstag 15. November 2022, 19:44
Joshua hat geschrieben: ↑Dienstag 15. November 2022, 18:07
Leider sind wir mit Beiträgen wie diesem längst im Bereich der - gewollten oder (wahrscheinlicher) ungewollten - Satire angekommen. Nach dieser "Logik" bemisst sich z.B. auch die Angemessenheit der Vergütung von Krankenpflegern allein nach den "Gesamtkosten des Gesundheitssystems".
"Allein" nicht, aber im Ergebnis zu einem großen Teil.
Natürlich könnte man die Gehälter aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen deutlich erhöhen und aus theoretischen Erwägungen aus dem Elfenbeinturm zu dem Ergebnis kommen, dass z.B. Pflegekräfte aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die Gesundheitsversorgung nicht unter 80.000 € und Ärzte nicht unter 110.000 € brutto einsteigen dürfen, das mit entsprechenden Erhöhungen im Laufe des Berufslebens. Da die Personalkosten aber ca. 60% der Gesamtkosten des Gesundheitswesens ausmachen erhöhen sich der Finanzbedarf damit eben erheblich. Wenn man begrenzte Ressourcen hat - was außerhalb von Rechenmodellen immer der Fall ist - bleibt dann die Wahl a) mehr Geld von den Einzahlern zu nehmen oder b) die Anzahl, die Qualität oder den Umfang der bezahlten Behandlungen zu reduzieren. Es bleibt immer ein Kompromiss in der Abwägung zwischen Kosten und Qualität.
Bei Beamten ist das Problem, dass man die Abwägung mangels erkennbarer Anhaltspunkte kaum vornehmen kann. Während man den Unterschied zwischen einer Nachtschicht mit zwei oder drei Pflegern in der Station relativ leicht bemessen kann ist es wohl völlig unmöglich festzustellen, welche Vorteile die Allgemeinheit aus einer höheren Vergütung für Richter ziehen kann. Solange keine erheblichen Probleme gerade durch die Bezahlung entstehen - also z.B. Richterstellen tatsächlich unbesetzt bleiben müssen, da für das Geld nicht genug Personen in diesem Beruf arbeiten wollen - dürfte auch der politische Druck eher gering sein.
Die Argumentation für höhere Richtergehälter kann man auf "Wir wollen mehr bekommen, weil wir es verdienen mehr zu bekommen" herunterbrechen. Das ist völlig legitim, aber im Grunde wohl allgemeine Ansicht nahezu aller Arbeitnehmer. In der Justiz fehlt wohl unstreitig Geld, die Kernprobleme die sich aktuell ergeben lassen sich aber durch mehr Gehalt für Richter nicht mal ein kleines bisschen lösen. Oder würden die hier anwesenden Richter dauerhaft 10% mehr Erledigungen in identischer Qualität durchziehen, wenn es dafür 20% mehr Gehalt gäbe? Wenn ja, warum? Durch mehr Stellen oder eine bessere Ausstattung dürften Verbesserungen wesentlich realistischer sein.
Da sind mehrere fundamentale Denkfehler enthalten.
1. Du verkennst den Grundgehalt der von mir kritisierten Aussage "Der einzige relevante Vergleich bleiben die Gesamtkosten der Justiz". Die Gesamtkosten eines Systems können nicht per se zu hoch oder zu niedrig und damit auch nicht Bezugsgröße für einen Vergleich sein; ergo kann man auch bzw. erst recht nicht für eine (ggf. auch wesentliche) Teilmenge der Kostenfaktoren (hier: Personalkosten) ableiten, diese seien wohl ebenfalls "zu hoch".
2. Speziell zur Justiz: Du legst, wohl bewusst gehüllt in das argumentative Mäntelchen des "politischen Drucks" (immer eine gefährliche Argumentation), in verfassungswidriger Weise zugrunde, der Gesetzgeber dürfe sich damit begnügen, dass Richterstellen ÜBERHAUPT noch besetzt werden. Dem ist nicht so. Es gilt:
"Im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Richtern und Staatsanwälten für
überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen"
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 00418.html; (vgl. BVerfGE 44, 249 <265 f.>; 99, 300 <315>; 107, 218 <237>; 114, 258 <288>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 149, 382 <392 Rn. 16>).
Legt man dies zugrunde, sind wir genau da, s. Hessen und die Herabstufung der Noten auf 7.5 Punkte.
Auch dazu das BVerfG unmissverständlich:
"Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen aller Absolventen im Vergleichszeitraum – das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 117>). "
Quelle:
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 00418.html