WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
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WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Hallo Leute,
ich hab vor kurzem eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei angetreten.
Ein Arbeitsvertrag habe ich nicht. Stattdessen soll ich mir vom Finanzamt eine Steuernummer (Kleinunternehmer) geben lassen und die Stunden, die ich gearbeitet habe, in Rechnung stellen.
Bisher habe ich mich aber nicht beim Finanzamt angemeldet, weil ich diese Vorgehensweise für ein Paradebeispiel einer Scheinselbständigkeit halte. Er umgeht damit doch seine Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Ich habe nur einen Auftraggeber, ich nutze die Kanzleiinfraktruktur etc. Es handelt sich also eigentlich um ein klassisches Angestelltenverhältnis. Einzig meine Arbeitszeiten kann ich mir aussuchen.
Mein Chef meinte, dass er das seit Jahrzehnten so macht und es bisher nie Probleme gab. Auch habe ich Forenbeiträge von Leuten gefunden, bei denen ebenso verfahren wird. Scheint also nicht unüblich zu sein.
Jetzt meine Frage: Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie genau schaut das Finanzamt hin?
Danke
ich hab vor kurzem eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei angetreten.
Ein Arbeitsvertrag habe ich nicht. Stattdessen soll ich mir vom Finanzamt eine Steuernummer (Kleinunternehmer) geben lassen und die Stunden, die ich gearbeitet habe, in Rechnung stellen.
Bisher habe ich mich aber nicht beim Finanzamt angemeldet, weil ich diese Vorgehensweise für ein Paradebeispiel einer Scheinselbständigkeit halte. Er umgeht damit doch seine Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Ich habe nur einen Auftraggeber, ich nutze die Kanzleiinfraktruktur etc. Es handelt sich also eigentlich um ein klassisches Angestelltenverhältnis. Einzig meine Arbeitszeiten kann ich mir aussuchen.
Mein Chef meinte, dass er das seit Jahrzehnten so macht und es bisher nie Probleme gab. Auch habe ich Forenbeiträge von Leuten gefunden, bei denen ebenso verfahren wird. Scheint also nicht unüblich zu sein.
Jetzt meine Frage: Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie genau schaut das Finanzamt hin?
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Andere Kanzlei nehmen
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Dem Finanzamt wird es egal sein; blöde ist nur, dass der Arbeitgeber sich damit auch Beiträge zur Rentenkasse spart und einem damit auch Anwartschaften verloren gehen.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Wenn du Vergütung und der Rest passen dann lass dich drauf ein. Wenn das Finanzamt Probleme macht, dann hat die dein ag. Und ansonsten s.o.: andere Kanzlei suchen.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Oder anfangen zu arbeiten und wenn ein Ende der Tätigkeit absehbar ist, statusfeststellungsverfahren bei der DRV beantragen.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Die eingezahlten Beiträge sind doch eh weg, wenn man keine 5 Beitragsjahre hat? Später ist man im Versorgungswerk oder Beamter.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
In beiden Fällen kriegt man zumindest seine Beiträge wieder. Und naja, sicher ist ja nix, nicht mal die (nicht-) Rente.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
man kriegt aber nur den ArbN Anteil erstattet. Ich sehe auch nicht unbedingt Scheinselbstständigkeit. Wenn die Arbeitstage frei wählbar sind und der Arbeitsort (Stichwort Homeoffice), dann spricht wenig dafür.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Wenn man zuvor bereits andere Jobs hatte, ist es nicht unwahrscheinlich, dass man auf 60 Beitragsmonate kommt. Diese haben in der Rente auch andere Vorteile, zB für die gesetzliche Krankenversicherung.
Außerdem entgeht einem so ja auch der Urlaubsanspruch. Ich würde ein Angestelltenverhältnis vorziehen.
Außerdem entgeht einem so ja auch der Urlaubsanspruch. Ich würde ein Angestelltenverhältnis vorziehen.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Das hängt ja wohl vom Gehalt ab? Wenn freie Mitarbeit signifikant besser bezahlt ist, dann lohnt sich das. Krank ist man in jungen Jahren selten. Rentenjahre hat man nicht voll. Die 3 Urlaubstage pro Jahr muss man gegenrechnen, die man verliert.
- Ara
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Der Arbeitgeber der ne Scheinselbstständigkeit vorschlägt, hat meist keinen gerechten Lohnausgleich für die Übertragung des Risikos im Kopf... Sonst würde er den legalen Weg gehen... Nur mal so in den Raum gestellt.gola20 hat geschrieben: ↑Donnerstag 27. August 2020, 15:34 Das hängt ja wohl vom Gehalt ab? Wenn freie Mitarbeit signifikant besser bezahlt ist, dann lohnt sich das. Krank ist man in jungen Jahren selten. Rentenjahre hat man nicht voll. Die 3 Urlaubstage pro Jahr muss man gegenrechnen, die man verliert.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Also das Problem steht nach wie vor im Raum.
Die Kanzlei ist in meinem Bundesland sehr renommiert und die Bezahlung stimmt auch. Ich haue nächstes Jahr sowieso ab ins Ausland, möchte aber dort zwecks Sammlung von Erfahrung und Lebenslauftuning eigentlich noch ein bisschen arbeiten.
Ich habe jetzt einfach mal die Stunden, die ich seit Anfang an dort gearbeitet habe, mit meiner normalen Steuer ID in Rechnung gestellt. Ansonsten wäre ich halt überhaupt nicht an die Kohle gekommen.
Jetzt muss ich nächstes Jahr ja auf jeden Fall eine Steuererklärung machen. Welche Konsequenzen hat das, wenn man das mit seiner normalen Steuer ID macht? Und wenn ich weitermache als freier Mitarbeiter, lieber beim Finanzamt als Kleinunternehmer anmelden?
Zum Thema Feststellungsverfahren: Ein Mitarbeiter hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass man das eher dann macht, wenn man mit dem Arbeitgeber im Clinch liegt. Ein "Anschwärzen" sozusagen. Keine Ahnung, möchte ich eigentlich vermeiden.
Am liebsten wäre es mir momentan, wenn er mich auf 450€ Tätigkeit bei einem Arbeitstag umstellt. Dann zahlt er einen pauschalen Betrag und ich habe einen Job, den man easy neben dem Schwerpunkt bewältigen kann. Könnte mir aber vorstellen, dass dann auch öfters mal Überstunden anfallen und ich dann doch doch über 450€ komme. Dann muss er aber Sozialversicherungsbeiträge abführen und das möchte er ja gerade nicht.
Am besten wäre wohl der Gang zum Steuerberater, habe aber eigentlich keine Lust so viel Geld zu bezahlen und von dem nur Dinge zu erfahren, die sich sowieso schon ergooglen lassen.
Hier nochmal pro/contra zum Thema Scheinselbstständigkeit:
contra:
- kann mir die Arbeitszeiten aussuchen
- theoretisch home office (jedenfalls für Dinge, für die ich keine Unterlagen aus der Kanzlei benötige, was aber so gut wie nie der Fall ist)
- "höhere Qualifikation" (habe nur Pflichtteil; in dem Rechtsgebiet habe ich eher wenig Ahnung, weil nicht im Studium vorhanden)
pro:
- keine Angestellte
- idR bin ich vor Ort in der Kanzlei und habe mein eigenes Büro)
- nutze Programme der Kanzlei (zum Beispiel für home office)
- ich trete im Außenverhältnis mit Kanzlei-Mailadresse auf
- nur ein Auftraggeber
- gesamter Umsatz durch diesen Auftraggeber
- ich erledige die Aufträge nicht zu 100% alleine, der Auftraggeber "begleitet" eher den Entstehungsprozess und schaut am Ende nochmal drüber
- ich werde eher nach Stunden bezahlt, als nach erbrachter Werkleistung
Ich finde das geht schon eher in Richtung Scheinselbständigkeit
Die Kanzlei ist in meinem Bundesland sehr renommiert und die Bezahlung stimmt auch. Ich haue nächstes Jahr sowieso ab ins Ausland, möchte aber dort zwecks Sammlung von Erfahrung und Lebenslauftuning eigentlich noch ein bisschen arbeiten.
Ich habe jetzt einfach mal die Stunden, die ich seit Anfang an dort gearbeitet habe, mit meiner normalen Steuer ID in Rechnung gestellt. Ansonsten wäre ich halt überhaupt nicht an die Kohle gekommen.
Jetzt muss ich nächstes Jahr ja auf jeden Fall eine Steuererklärung machen. Welche Konsequenzen hat das, wenn man das mit seiner normalen Steuer ID macht? Und wenn ich weitermache als freier Mitarbeiter, lieber beim Finanzamt als Kleinunternehmer anmelden?
Zum Thema Feststellungsverfahren: Ein Mitarbeiter hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass man das eher dann macht, wenn man mit dem Arbeitgeber im Clinch liegt. Ein "Anschwärzen" sozusagen. Keine Ahnung, möchte ich eigentlich vermeiden.
Am liebsten wäre es mir momentan, wenn er mich auf 450€ Tätigkeit bei einem Arbeitstag umstellt. Dann zahlt er einen pauschalen Betrag und ich habe einen Job, den man easy neben dem Schwerpunkt bewältigen kann. Könnte mir aber vorstellen, dass dann auch öfters mal Überstunden anfallen und ich dann doch doch über 450€ komme. Dann muss er aber Sozialversicherungsbeiträge abführen und das möchte er ja gerade nicht.
Am besten wäre wohl der Gang zum Steuerberater, habe aber eigentlich keine Lust so viel Geld zu bezahlen und von dem nur Dinge zu erfahren, die sich sowieso schon ergooglen lassen.
Hier nochmal pro/contra zum Thema Scheinselbstständigkeit:
contra:
- kann mir die Arbeitszeiten aussuchen
- theoretisch home office (jedenfalls für Dinge, für die ich keine Unterlagen aus der Kanzlei benötige, was aber so gut wie nie der Fall ist)
- "höhere Qualifikation" (habe nur Pflichtteil; in dem Rechtsgebiet habe ich eher wenig Ahnung, weil nicht im Studium vorhanden)
pro:
- keine Angestellte
- idR bin ich vor Ort in der Kanzlei und habe mein eigenes Büro)
- nutze Programme der Kanzlei (zum Beispiel für home office)
- ich trete im Außenverhältnis mit Kanzlei-Mailadresse auf
- nur ein Auftraggeber
- gesamter Umsatz durch diesen Auftraggeber
- ich erledige die Aufträge nicht zu 100% alleine, der Auftraggeber "begleitet" eher den Entstehungsprozess und schaut am Ende nochmal drüber
- ich werde eher nach Stunden bezahlt, als nach erbrachter Werkleistung
Ich finde das geht schon eher in Richtung Scheinselbständigkeit
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Die Contra-Punkte sind noch dazu sehr schwach: Home-Office ist aktuell praktisch normal, als Jurist gibt es selten Stempeluhren und formal bist du mangels Abschluss noch "unqualifiziert".6am10pm hat geschrieben: ↑Montag 31. August 2020, 16:20 contra:
- kann mir die Arbeitszeiten aussuchen
- theoretisch home office (jedenfalls für Dinge, für die ich keine Unterlagen aus der Kanzlei benötige, was aber so gut wie nie der Fall ist)
- "höhere Qualifikation" (habe nur Pflichtteil; in dem Rechtsgebiet habe ich eher wenig Ahnung, weil nicht im Studium vorhanden)
pro:
- keine Angestellte
- idR bin ich vor Ort in der Kanzlei und habe mein eigenes Büro)
- nutze Programme der Kanzlei (zum Beispiel für home office)
- ich trete im Außenverhältnis mit Kanzlei-Mailadresse auf
- nur ein Auftraggeber
- gesamter Umsatz durch diesen Auftraggeber
- ich erledige die Aufträge nicht zu 100% alleine, der Auftraggeber "begleitet" eher den Entstehungsprozess und schaut am Ende nochmal drüber
- ich werde eher nach Stunden bezahlt, als nach erbrachter Werkleistung
Ich finde das geht schon eher in Richtung Scheinselbständigkeit
Für mich ist das praktisch ein Musterbeispiel für Scheinselbständigkeit.
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Re: WissMit: Arbeitsvertrag oder Scheinselbstständigkeit?
Was soll da Scheinselbstständigkeit sein? Bitte erläutern.