Re: Zukunft der Arbeitswelt
Verfasst: Dienstag 7. September 2021, 15:05
Der Mandant der "es gab Mittags Chilli" bezahlen darf wird sich freuen
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Als WissMit war ich in einer GK (magic circle), in der wirklich jede Minute getrackt wurde, unabhängig davon, ob die am Ende gebillt wurde oder nicht. Wenn mir da als Partner Monat für Monat Übersichten vorgelegt werden, nach denen Associate A im Mittel 60h arbeitet, verletze ich das ArbZG doch schon vorsätzlich.
An der Rechtslage ändert das freilich wenig.Liz hat geschrieben: ↑Dienstag 7. September 2021, 08:44Eben. So ärgerlich es ist, dass man sich offenbar vom Arbeitsschutz „freikaufen“ kann - juristisch gebildete Akademiker, denen als einziger Nachteil bei einer Kündigung droht, dass sie künftig nicht mehr so schön viel Geld verdienen, sind nicht die klassische Zielgruppe des ArbZG.
Für Beamte und Richter gilt das ArbZG nicht, sondern § 87 BBG und die entsprechenden Regelungen der Landesbeamtengesetzte (bspw. § 67 LBG BW) und die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen, so zum Bspw. die AzUVO BW. Dort gilt:
Für Richter allerdings gelten die Beschränkungen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ausdrücklich nicht.Die regelmäßige (!) Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten beträgt im Durchschnitt wöchentlich 41 Stunden.
Die tägliche Arbeitszeit darf zehn Stunden nicht überschreiten, sofern nicht Mehrarbeit nach § 67 Abs. 3 LBG angeordnet oder genehmigt ist.
Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden (Mindestruhezeit) sowie einmal innerhalb eines Siebentageszeitraums eine daran unmittelbar anschließende Ruhezeit von mindestens weiteren 24 Stunden zu gewähren. Die oberste Dienstbehörde kann Ausnahmen von Satz 2 und 3 zulassen, wenn dienstliche Belange es zwingend erfordern und gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder, wenn dies nicht möglich ist, ein angemessener Schutz gewährleistet sind.
Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zu Grunde zu legen; dabei darf die Arbeitszeit in keiner Woche 55 Stunden überschreiten.
Das kommt ja letztlich auf das Gewinnverteilungsmodell an. Ich bin mir nicht sicher, wer bei einem Modell "Wir machen alle Associates zu Partnern" zuletzt lachen würde.Idee1290 hat geschrieben: ↑Montag 6. September 2021, 11:45Ich würde das noch mal aufgreifen wollen. Das ist ein klassisches Berufsrisiko von Selbstständigen. Daher würde ich hier relativ schmerzlos den Partnern die Verantwortung zuschieben. Für "normale" Arbeitnehmer, und das sind eben auch Associates trotz fürstlichen Gehalts, gilt das ArbZG und damit basta. Laut ArbZG muss im Durchschnitt eine 48-Stunden-Woche eingehalten werden. Spitzen bis zu 60-Stunden-Wochen sind möglich, wenn sie im Nachhinein ausgeglichen werden, sodass der 48-Stunden-Durchschnitt über einen Zeitraum von 4 bzw. 6 Monaten eingehalten wird.Fyrion hat geschrieben: ↑Donnerstag 6. Mai 2021, 09:44
Naja das muss ich doch so oder so, auch wenn ich im Büro arbeiten müsste. Ich bin halt Anwalt, wenns beim Mandanten am Sonntag um 21:57 brennt, dann bin ich um 21:58 verfügbar, das ist aber der Job und hängt nicht davon ab ob ich im HO arbeite oder im Büro.
(...)
Wie gesagt, "feste" Zeiten gibt es in dem Job mE eh nicht. Es gibt halt so was wie eine "Kernarbeitszeit", das heißt aber nicht, dass dem Mandanten nicht plötzlich um 22 Uhr noch einfällt, dass er bis morgen cob noch einen Vermerk zum Thema XYZ braucht o.Ä.
Wenn die Kanzleien sich zu einer Berufsträgerstruktur entscheiden, bei denen auf wenige Partner viele Associates kommen, dann ist das deren unternehmerisches Risiko und es mag für den golfenden Partner Sonntagabend sehr unangenehm sein, tatsächlich einmal seiner Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden und den explodierten zB Kartellrechtsfall zu übernehmen - ... aber man kann nicht anfangen, über vermeintliche Naturgesetze oder Sachzwänge Arbeitnehmer-Associates Partnerverantwortung aufzubürden. Umgekehrt dürfen die Associates ja auch kaum bei der Mandantenaquise dabei sein oder über die Annahme neuer Mandate entscheiden (das als Denkhilfe, unternehmerische Chancen und Risiken müssen sich mE die Waage halten, wenn man hier eine Verantwortungskultur etablieren will. Einseitig halte ich das für recht unausgeglichen...)
Wenn ihr mehr anwaltliche Verantwortungskultur wollt, machts halt eure Associates entweder zu Partnern oder immerhin zu selbstständigen Dienstnehmern statt Arbeitnehmern*. Macht aber keiner und will offenbar auch keiner, weil man die dann nicht mehr so gut gängeln kann und kein Weisungsrecht mehr hat bzw. mehr vom Gewinn abgeben müsste.
*Edit: oder stellt mehr Arbeitnehmer ein, sodass ihr eine Rufbereitschaft/Arbeitsbereitschaft/Schichtdienste auch mit Wochenendbesetzung schafft.
Gemessen an der Qualität dürften 60T brutto - auch in Hinblick auf die Gehälter anderer Akademiker auch nach Jahren Berufserfahrung- häufig eher deutlich überbezahlt sein.
Wie du meinst. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in Metropolregionen schon gute Bürokräfte ohne akademischen Abschluss 60T brutto abrufen können (alles schon gesehen).stilzchenrumpel hat geschrieben: ↑Dienstag 7. September 2021, 19:23Gemessen an der Qualität dürften 60T brutto - auch in Hinblick auf die Gehälter anderer Akademiker auch nach Jahren Berufserfahrung- häufig eher deutlich überbezahlt sein.
Ja, klar. Das sagt aber nichts darüber aus, ob die regelmäßige Arbeitszeit aufgrund erhöhten Arbeitsanfalls überschritten werden darf oder muss.gola20 hat geschrieben:§1 Nr. 2 b) AzUVO iVm §4 AzUVO regelt, dass die regelmäige Arbeitszeit für Richter 41h beträgt.
§ 20 AzUVO schließt nur den 2.Unterabschnitt, der mit §7 AzUVO beginnt, in Teilen für Richter aus.