Jurawelt-Forum

Hallo,


ich habe eine generelle Frage zu den Vorteilen, die einem eine abgeschlossene Promotion auf dem Arbeitsmarkt bieten kann. Sollte jemand genauer darüber Bescheid wissen, würde ich mich sehr über Erfahrungen aus diesem Bereich freuen.

Zu meiner Ausgangssituation:
Ich habe meine Examina mit jeweils 7,x Punkten abgeschlossen. Nun habe ich mir vorgenommen zu promovieren. Ich habe bereits eine verbindliche Zusage für eine Promotionsstelle an einer Uni, deren Promotionsordnung ich erfülle. Zu 100 % konnte ich mich jedoch noch nicht für das Promotionsvorhaben entschließen.

Dies hängt von folgendem Faktor ab: Ich erhoffe mir von der abgeschlossenen Promotion verbesserte Aussichten auf Stellen, für die ohne Promotion nur begrenzt eine Einstellungschance bestehen würde. Sollte das so nicht zutreffen, so muss ich das Promotionsvorhaben noch einmal überdenken.

Hätte ich durch eine Promotion Zugriff auf erheblich „bessere“ Stelle? Meint Ihr, dass z.B. eine Kanzlei, die in Summe 16 Punkte aus beiden Examina (oder höher) fordert, bereit wäre, über die nicht erreichte Notengrenze wegen der Promotion hinwegzusehen?
Die gleiche Frage stellt sich für den Staatsdienst in BW und Bayern, wo die Grenze bei ca. 8 Punkten gezogen wird.

Natürlich wird einem die Promotion einen gewissen Vorteil gewähren. Mich würde jedoch interessieren, ob man sich wirklich erheblich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhoffen kann oder nicht.
Ich habe bisher den Eindruck gewonnen, dass einem durch die Promotion nicht wirklich neue Türen geöffnet werden, sondern, dass man eher auf dem gleichen „Niveau“ bleibt und mehr Gehalt verlangen kann.
Oder wäre beispielsweise auch eine Großkanzlei/ größere Kanzlei drin mit Summe 15 Punkten und Promotion bzw. Staatsdienst?

Was denkt Ihr? Hat jemand vielleicht konkrete Erfahrungen diesbezüglich gemacht?


Viele Grüße und vielen Dank vorab.

Für den Staatsdienst spielt die Promotion nur dann als sekundäres Kriterium überhaupt eine Rolle, wenn die grundlegenden Notenanforderungen bereits erfüllt werden.

In Bayern zählt ohnehin erst einmal ausschließlich das zweite Examen. Auf Nachfrage wurde mir im Referendariat bei entsprechendne Veranstaltungen mehrfach bestätigt, dass selbst ein außergewöhnlich gutes erstes Examen erst einmal egal ist. Für die Promotion gilt das dann erst recht. Wenn die geforderte Note im Zweiten z.B. 8,0 ist wird man also auch mit 7,7 im Zweiten, 14,0 im Ersten, Promotion und 1-3 Jahren Berufserfahrung (das ist der magische Rahmen, weniger als ein Jahr ist schlecht, ab drei Jahren soll man sich gar nicht mehr bewerben) nicht berücksichtigt.

Wie genau es in BW läuft kann ich nicht sagen. Es dürfte aber schon nach den gesetzlichen Vorgaben bundesweit ähnlich sein, mit dem Unterschied, dass das erste Examen anderenorts tendenziell mehr Bedeutung hat. Weniger ginge auch nicht

In der Anwaltschaft wird es eine Einzelfallfrage sein. Es gibt durchaus gewisse Felder, in welchen die Promotion noch gefragt ist. Die typische GK gehört da mE schon länger nicht mehr dazu, dort ist der LL.M. (kann Englisch und kommt gut alleine klar) wesentlich mehr wert. In einer Boutique die ihre Aquise durch viele Veröffentlichungen betreibt mag es durchaus anders aussehen.

Wirtschaftlich sinnvoll wird die Promotion am Ende wohl so gut wie nie sein. Man macht sie immer auch für sich und das eigene Ego bzw. weil es einem Spaß macht. Die Rechnung, wie viel mehr man verdient hätte, wenn man nun doch 2-3 Jahre früher in Vollzeit eingestiegen wäre um dann ggf. bereits den ersten Wechsel mit Gehaltssprung hinter sich zu haben will man eher nicht aufmachen.

Laut Info Veranstaltung der Justiz ist in BW die Promotion beim Staat egal.

syd55 hat geschrieben:...Nun habe ich mir vorgenommen zu promovieren. Ich habe bereits eine verbindliche Zusage für eine Promotionsstelle ... Ich erhoffe mir von der abgeschlossenen Promotion verbesserte Aussichten auf Stellen,...

Lass es bleiben. Das wird nix.

Ja, in der freien Wirtschaft kann eine Promotion dir entscheidend zu einer besseren Stelle verhelfen, wenn dein Profil ansonsten dem Gesuchten entspricht. Insbesondere, wenn dich jemand gern einstellen würde und nur gegenüber internen Prozessen bzw Vorgaben rechtfertigen muss, weswegen ein Kandidat mit "schlechteren" Noten ausgewählt wird. Zudem ist eine Promotion auch eine Chance, dich mit einem Gebiet zu befassen, das am Arbeitsmarkt stark gesucht wird, insbesondere bei Nischengebieten, die praxisrelevant sind, aber kaum gelehrt werden.

Tibor hat geschrieben: ↑Mittwoch 19. Mai 2021, 19:47

syd55 hat geschrieben:...Nun habe ich mir vorgenommen zu promovieren. Ich habe bereits eine verbindliche Zusage für eine Promotionsstelle ... Ich erhoffe mir von der abgeschlossenen Promotion verbesserte Aussichten auf Stellen,...

Lass es bleiben. Das wird nix.

Zustimmung. Aus der Sicht des Personalpartners einer internationalen GK kann ich beitragen, dass die Promotion kaum eine Rolle spielt und jedenfalls nicht das fehlende Erreichen von Notenschwellen ausgleichen kann. Je nachdem wie alt Du bist könnte es sogar als negativ angesehen werden (Bsp: Jetzt bereits 30 Jahre alt, 3 Jahre Promotion, Berufseinstieg -> kann sich womöglich nicht mehr einfügen / zu theoretisch; wäre bei einem Top-Bewerber gleich, aber wieso sollte die Kanzlei das Risiko bei einem Bewerber eingehen, der sowieso auf der Kippe steht?).

Und um eines auch klar zu sagen: Selbst eine Promotion in einem sehr praxisrelevanten Gebiet bringt idR kaum in der Praxis direkt verwertbare Kenntnisse.

Was hilft also? Berufserfahrung, wissenschaftliche Mitarbeit, LLM im englischsprachigen Ausland, "Persönlichkeit".

corpusiuris hat geschrieben: ↑Samstag 29. Mai 2021, 00:30Bsp: Jetzt bereits 30 Jahre alt, 3 Jahre Promotion, Berufseinstieg -> kann sich womöglich nicht mehr einfügen / zu theoretisch

Brainiac hat geschrieben: ↑Montag 31. Mai 2021, 12:28

corpusiuris hat geschrieben: ↑Samstag 29. Mai 2021, 00:30Bsp: Jetzt bereits 30 Jahre alt, 3 Jahre Promotion, Berufseinstieg -> kann sich womöglich nicht mehr einfügen / zu theoretisch

Klarstellend: Ich meinte 30 Jahre plus 3 Jahre Promotion, falls das unklar war. Und ja, dann kommen solche Gedanken u.U. auf.

In Zeiten zunehmender Digitalisierung wird so ein klassischer Karrierebooster schnell mal zum Stolperstein, insbesondere dann, wenn Promovierende wenig Interesse und/oder zu wenig Zeit für echtes wissenschaftliches Arbeiten haben. Wenn Dein Nachname dann noch mit "G" anfängt, geht das womöglich noch nach hinten los.

Wir müssen endlich wieder zu den Zeiten zurückkommen, in denen nur die wirklich Interessierten eine Promotion angehen.

Gab es diese Zeiten je oder ist das so ein Fiebertraum eines alten Mannes, in dessen Erinnerung früher alles besser war?