Seite 1 von 1

Rohmessdaten und die Geschwindigkeitsmessung

Verfasst: Dienstag 21. Dezember 2021, 16:27
von scndbesthand
Wie heute für Owi-rechtliche Laien wie mich aufbereitet zu lesen war, hat der Saarländische VerfGH Maßstäbe beim Nachweis einer Geschwindigkeitsübertretung gesetzt. Alle Messungen, die nicht über Rohmessdaten verfügen, können nicht auf Plausibilität geprüft werden und sind nicht verwertbar (vereinfacht gesprochen).

Das physikalisch Technische Bundesamt lässt angeblich keine Messgeräte mehr zu, die Hilfsdaten wie Rohmessdaten speichern. Hierzu wird auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt verwiesen, in der es heißt:
Aus technischen Gründen hat die PTB gestützt auf Anlage 2. 7.1. MessEV am 28. Februar 2020 in der neuen Baumusterprüfbescheinigung DE-17-M-PTB0033, Revision 1 für die hier streitgegenständliche Messanlage Poliscan FM 1 die Speicherung von sog. Hilfsgrößen untersagt (Zif. 1.2.3. S. 23 und Zif. 5.1. S. 32 der Baumusterprüfbescheinigung). Hintergrund ist die missbräuchliche Verwendung dieser gespeicherten Hilfsgrößen in sog. Gutachten.
https://www.burhoff.de/asp_weitere_bes ... e/5562.htm

Der letzte Satz deutet auf die Motivationslage des PTB hin: was nicht existiert, kann auch nicht angezweifelt werden. Letztlich kann man dem Messgerät dann nur noch vertrauen. Ich finde das bedenklich. Meinungen?

Re: Rohmessdaten und die Geschwindigkeitsmessung

Verfasst: Dienstag 21. Dezember 2021, 17:04
von Strich
Was sollen dir die Rohmessdaten bringen? Aus denen kannst du auch nicht erkennen, ob falsch gemessen wurde.

Der Vergleich mit einem Taschenrechner hinkt zwar etwas, reicht aber fürs Modellverständnis:

Wenn du in diesen 2 + 2 eingibst, rechnet er und spuckt 4 aus.
Die Rohmessdaten sind dabei 2+2. Warum man da jetzt nen Sachverständigen bestellen muss, der die Rechenoperation 2+2 nachvollzieht und auch auf 4 kommt, erschließt sich mir nicht. Das konnte mir bislang auch noch keiner sagen.

Die Frage, ob die Messung richtig ist, ob also am Anfang wirklich 2 hätte eingegeben werden müssen, sieht man den Rohmessdaten nicht an. Möglicherweise hätte man eine 1 statt der ersten 2 eingeben müssen, aber das kann man im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen, weil man den Messvorgang nicht wiederholen kann.

Das was die PTB (m.E. zu recht) vermeiden wollte, ist die "Plausibilisierung" der Messung anhand der 2 Punktmethode (also aus den Werten der xml Datei postionfirstmeasurement und postionlastmeasurement bzw positionverylastmeasurement und positionverfirstmeasurement). Die ist aber viel zu ungenau. Der geräteinterne Algorithmus glättet anhand wesentlich mehr Messpunkten und errechnet eine idealisierte Fahrzeugfront, die dann den Messbereich durchfährt. Dabei "glättet" dieses Algorithmus auch schon zugunsten des Betroffenen. Es leuchtet hoffentlich unmittelbar ein, warum die völlig zufällig am Fahrzeug reflektierten Messpunkte, die in der xml Datei gespeichert werden, schlechter sind, als eine aus vielen Messpunkten errechnete idealisierte Fahrzeugfront?

Der Entscheidung des saarländischen VerfGH ist bisher auch kein einziges OLG gefolgt

Re: Rohmessdaten und die Geschwindigkeitsmessung

Verfasst: Dienstag 21. Dezember 2021, 17:28
von Omnimodofacturus
scndbesthand hat geschrieben: Dienstag 21. Dezember 2021, 16:27 Wie heute für Owi-rechtliche Laien wie mich aufbereitet zu lesen war, hat der Saarländische VerfGH Maßstäbe beim Nachweis einer Geschwindigkeitsübertretung gesetzt. Alle Messungen, die nicht über Rohmessdaten verfügen, können nicht auf Plausibilität geprüft werden und sind nicht verwertbar (vereinfacht gesprochen).

Das physikalisch Technische Bundesamt lässt angeblich keine Messgeräte mehr zu, die Hilfsdaten wie Rohmessdaten speichern. Hierzu wird auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt verwiesen, in der es heißt:
Aus technischen Gründen hat die PTB gestützt auf Anlage 2. 7.1. MessEV am 28. Februar 2020 in der neuen Baumusterprüfbescheinigung DE-17-M-PTB0033, Revision 1 für die hier streitgegenständliche Messanlage Poliscan FM 1 die Speicherung von sog. Hilfsgrößen untersagt (Zif. 1.2.3. S. 23 und Zif. 5.1. S. 32 der Baumusterprüfbescheinigung). Hintergrund ist die missbräuchliche Verwendung dieser gespeicherten Hilfsgrößen in sog. Gutachten.
https://www.burhoff.de/asp_weitere_bes ... e/5562.htm

Der letzte Satz deutet auf die Motivationslage des PTB hin: was nicht existiert, kann auch nicht angezweifelt werden. Letztlich kann man dem Messgerät dann nur noch vertrauen. Ich finde das bedenklich. Meinungen?


Dazu ist meines Wissens ein Verfahren beim BVerfG anhängig, das Klarheit bringen dürfte.

Denn in der Praxis ist die Auffassung des Saarländischen VerfGH vereinzelt geblieben und außerhalb seines kleinen Landes sind weiter Verurteilungen vorgenommen worden.

Dabei geht die Argumentation dahin, dass ein standardisiertes Messverfahren vorliegt und daher kein Anlass besteht, jede Messung nachzuberechnen, was dann stets ein SV-Gutachten erfordern würde.