Ukraine

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Joshua
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Auch in Le Coq, dem kleinen Seebad nahe bei Ostende, wo ich zwei Wochen verbringen wollte, ehe ich wie alljährlich Gast in dem kleinen Landhause Verhaerens war, herrschte die gleiche Sorglosigkeit. Die Urlaubsfreudigen lagen unter ihren farbigen Zelten am Strande oder badeten, die Kinder ließen Drachen steigen, vor den Kaffeehäusern tanzten die jungen Leute auf der Digue. Alle denkbaren Nationen fanden sich friedlich zusammen, man hörte insbesondere viel deutsch sprechen, denn wie alljährlich entsandte das nahe Rheinland seine sommerlichen Feriengäste am liebsten an den belgischen Strand. Die einzige Störung kam von den Zeitungsjungen, die, um den Verkauf zu fördern, die drohenden Überschriften der Pariser Blätter laut ausbrüllten: »L'Autriche provoque la Russie«, »L'Allemagne prépare la mobilisation«. Man sah, wie sich die Gesichter der Leute, wenn sie die Zeitungen kauften, verdüsterten, aber immer bloß für ein paar Minuten. Schließlich kannten wir diese diplomatischen Konflikte schon seit Jahren; sie waren immer in letzter Stunde, bevor es ernst wurde, glücklich beigelegt worden. Warum nicht auch diesmal? Eine halbe Stunde später sah man dieselben Leute schon wieder vergnügt prustend im Wasser plätschern, die Drachen stiegen, die Möwen flatterten, und die Sonne lachte hell und warm über dem friedlichen Land.

Aber die schlimmen Nachrichten häuften sich und wurden immer bedrohlicher. Erst das Ultimatum Österreichs an Serbien, die ausweichende Antwort darauf, Telegramme zwischen den Monarchen und schließlich die kaum mehr verborgenen Mobilisationen. Es hielt mich nicht mehr länger in dem engen, abgelegenen Ort. Ich fuhr jeden Tag mit der kleinen elektrischen Bahn nach Ostende hinüber, um den Nachrichten näher zu sein; und sie wurden immer schlimmer. Noch badeten die Leute, noch waren die Hotels voll, noch drängten sich auf der Digue promenierende, lachende, schwatzende Sommergäste. Aber zum erstenmal schob sich etwas Neues dazwischen. Plötzlich sah man belgische Soldaten auftauchen, die sonst nie den Strand betraten. Maschinengewehre wurden – eine sonderbare Eigenheit der belgischen Armee – von Hunden auf kleinen Wagen gezogen.

Ich saß damals in einem Café mit einigen belgischen Freunden zusammen, einem jungen Maler und dem Dichter Crommelynck. Wir hatten den Nachmittag bei James Ensor verbracht, dem größten modernen Maler Belgiens, einem sehr sonderbaren, einsiedlerischen und verschlossenen Mann, der viel stolzer war auf die kleinen schlechten Polkas und Walzer, die er für Militärkapellen komponierte, als auf seine phantastischen, in schimmernden Farben entworfenen Gemälde. Er hatte uns seine Werke gezeigt, eigentlich ziemlich widerwillig, denn ihn bedrückte skurrilerweise der Gedanke, es möchte ihm jemand eines abkaufen. Sein Traum war eigentlich, wie mir die Freunde lachend erzählten, sie teuer zu verkaufen, aber doch zugleich dann alle behalten zu dürfen, denn er hing mit derselben Gier am Gelde wie an jedem seiner Werke. Immer, wenn er eines abgegeben, blieb er ein paar Tage verzweifelt. Mit all seinen merkwürdigen Schrullen hatte dieser geniale Harpagon uns heiter gemacht; und als gerade wieder so ein Trupp Soldaten mit dem hundebespannten Maschinengewehr vorüberzog, stand einer von uns auf und streichelte den Hund, sehr zum Ärger des begleitenden Offiziers, der befürchtete, daß durch diese Liebkosung eines kriegerischen Objekts die Würde einer militärischen Institution geschädigt werden könnte. »Wozu dieses dumme Herummarschieren?« murrte einer in unserem Kreise. Aber ein anderer antwortete erregt: »Man muß doch seine Vorkehrungen treffen. Es heißt, daß die Deutschen im Falle eines Krieges bei uns durchbrechen wollen.« »Ausgeschlossen!« sagte ich mit ehrlicher Überzeugung, denn in jener alten Welt glaubte man noch an die Heiligkeit von Verträgen. »Wenn etwas passieren sollte und Frankreich und Deutschland sich gegenseitig bis auf den letzten Mann vernichten, werdet ihr Belgier ruhig im Trockenen sitzen!« Aber unser Pessimist gab nicht nach. Das müsse einen Sinn haben, sagte er, wenn man in Belgien solche Maßnahmen anordne. Schon vor Jahren hätte man Wind von einem geheimen Plan des deutschen Generalstabs bekommen, im Falle einer Attacke auf Frankreich trotz allen beschworenen Verträgen in Belgien durchzustoßen. Aber ich gab gleichfalls nicht nach. Mir schien es völlig absurd, daß, während Tausende und Zehntausende von Deutschen hier lässig und fröhlich die Gastfreundschaft dieses kleinen, unbeteiligten Landes genossen, an der Grenze eine Armee einbruchsbereit stehen sollte. »Unsinn!« sagte ich. »Hier an dieser Laterne könnt ihr mich aufhängen, wenn die Deutschen in Belgien einmarschieren!« Ich muß meinen Freunden noch heute dankbar sein, daß sie mich später nicht beim Wort genommen haben.
aus: Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers (hier: zum August 1914)

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famulus
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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

Das ändert natürlich alles.
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Joshua
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Heute ist der 352. Kriegstag in der Ukraine. Über 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten wurden bisher getötet. Frauen wurden vergewaltigt, Kinder verängstigt, ein ganzes Volk traumatisiert. Wenn die Kämpfe so weitergehen, ist die Ukraine bald ein entvölkertes, zerstörtes Land. Und auch viele Menschen in ganz Europa haben Angst vor einer Ausweitung des Krieges. Sie fürchten um ihre und die Zukunft ihrer Kinder.

Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität. Aber was wäre jetzt solidarisch? Wie lange noch soll auf dem Schlachtfeld Ukraine gekämpft und gestorben werden? Und was ist jetzt, ein Jahr danach, eigentlich das Ziel dieses Krieges? Die deutsche Außenministerin sprach jüngst davon, dass „wir“ einen „Krieg gegen Russland“ führen. Im Ernst?

Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis. Nach den zugesagten Panzern fordert er jetzt auch Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe – um Russland auf ganzer Linie zu besiegen? Noch versichert der deutsche Kanzler, er wolle weder Kampfjets noch „Bodentruppen“ senden. Doch wie viele „rote Linien“ wurden in den letzten Monaten schon überschritten?

Es ist zu befürchten, dass Putin spätestens bei einem Angriff auf die Krim zu einem maximalen Gegenschlag ausholt. Geraten wir dann unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg? Es wäre nicht der erste große Krieg, der so begonnen hat. Aber es wäre vielleicht der letzte.

Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen. Aber sie kann gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen. Das sagt auch der höchste Militär der USA, General Milley. Er spricht von einer Pattsituation, in der keine Seite militärisch siegen und der Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden kann. Warum dann nicht jetzt? Sofort!

Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten. Mit dem Ziel, weitere Hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern. Das meinen auch wir, meint auch die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Es ist Zeit, uns zuzuhören!

Wir Bürgerinnen und Bürger Deutschlands können nicht direkt auf Amerika und Russland oder auf unsere europäischen Nachbarn einwirken. Doch wir können und müssen unsere Regierung und den Kanzler in die Pflicht nehmen und ihn an seinen Schwur erinnern: „Schaden vom deutschen Volk wenden“.

Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.

Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht



DIE 69 ERSTUNTERZEICHNERiNNEN

Dr. Franz Alt Journalist und Bigi Alt • Christian Baron Schriftsteller • Franziska Becker Cartoonistin • Dr. Thilo Bode Foodwatch-Gründer • Prof. Dr. Peter Brandt Historiker • Rainer Braun Internationales Friedensbüro (IPB) • Andrea Breth ­Regisseurin • Dr. Ulrich Brinkmann Soziologe • Prof. Dr. Christoph Butterwegge Armutsforscher • Dr. Angelika Claußen IPPNW Vize-Präsidentin Europa • Daniela Dahn Publizistin • Rudolf Dressler Ex-Staatssekretär (SPD) • Anna Dünnebier Autorin • Petra Erler Geschäftsführerin (SPD) • Valie Export Künstlerin • Bettina Flitner ­Fotografin und Autorin • Justus Frantz Dirigent und Pianist • Holger Friedrich Verleger ­Berliner ­Zeitung • Katharina Fritsch Künstlerin • Prof. Dr. Hajo Funke Politikwissenschaftler • Dr. Peter Gauweiler Rechtsanwalt (CSU) • Jürgen Grässlin Dt. Friedensgesellschaft • ­Wolfgang Grupp Unternehmer • Prof. Dr. Ulrike Guérot Politikwissenschaftlerin • ­Gottfried ­Helnwein Künstler • Hannelore Hippe Schriftstellerin • Henry Hübchen Schauspieler • ­Wolfgang ­Hummel Jurist • Otto Jäckel Vorstand IALANA • Dr. Dirk Jörke Politikwissenschaftler • Dr. ­Margot Käßmann Theologin • Corinna Kirchhoff Schauspielerin • Uwe Kockisch Schauspieler • Prof. Dr. Matthias Kreck Mathematiker • Oskar Lafontaine Ex-Minister­präsident • Detlef Malchow Kaufmann • Gisela Marx Journalistin • Prof. Dr. ­Rainer Mausfeld ­Psychologe • Roland May Regisseur • Maria Mesrian Theologin • Reinhard Mey Musiker und Hella Mey • Prof. Dr. Klaus Moegling ­Scientists for Future • Michael Müller Vorsitzender NaturFreunde • Franz Nadler Connection e. V. • Dr. ­Christof ­Ostheimer ver.di-Vorsitzender Neumünster • Dr. Tanja Paulitz Soziologin • Romani Rose Vors. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma • Eugen Ruge Schriftsteller • Helke Sander ­Filmemacherin • Michael von der Schulenburg ­UN-Diplomat a.D. • Hanna Schygulla Schauspielerin • Martin Sonneborn Journalist (Die Partei) • Jutta Speidel Schauspielerin • Dr. Hans-C. von Sponeck Beigeordneter ­UN-Generalsekretär a.D. • Prof. Dr. Wolfgang Streeck Soziologe und Politikwissenschaftler • Katharina Thalbach Schauspielerin • Dr. Jürgen Todenhöfer Politiker • Prof. Gerhard Trabert Sozial­mediziner • Bernhard ­Trautvetter Friedensratschlag • Dr. Erich Vad Brigade­general a.D. • Prof. Dr. Johannes Varwick Politikwissenschaftler • ­Günter Verheugen Ex-Vizepräsident EU-Kommission • Dr. Antje Vollmer Theologin (Die Grünen) • Prof. Dr. Peter Weibel Kunst- und ­Medientheoretiker • Nathalie Weidenfeld Schriftstellerin • ­Hans-Eckardt Wenzel ­Liedermacher • Dr. Theodor Ziegler Religionspädagoge
https://www.change.org/p/manifest-f%C3%BCr-frieden (Verwaister Link automatisch entfernt)

Dort auch zu unterzeichnen, sofern Interesse besteht (286.831 haben unterschrieben, Stanbd 12.2.23, 18:25 Uhr).

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famulus
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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

"Wer erinnert sich nicht voller Liebe + Dankbarkeit daran, wie Sahra Wagenknecht & Alice Schwarzer seinerzeit den 2. Weltkrieg beendet haben, indem sie Churchill & Roosevelt per Offenem Brief aufforderten, sich nicht in Hitlers Krieg einzumischen und damit das Leid zu vergrößern?"

https://mobile.twitter.com/Regendelfin/status/1624376368040493056?s=20&t=idqWJz8ocS-V4ZONKUaz-w (Verwaister Link automatisch entfernt)
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Joshua
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Kann man eigentlich gar nicht mehr diskutieren, ohne Andersdenkende zu diskreditieren? Dieser dauermoralisierende Habitus, der sich aus dem absurden Vorwurf nährt, die andere Seite würde sehenden Auges das "Leid vergrößern", ist jedem aufgeklärten Denken abhold. Ebenso absurd ist der implizite Vorwurf, die Initiatoren würden gegen jede Einmischung sein (quod non; sie wollen gerade erreichen, viel mehr auf die diplomatische Karte zu setzen, was nach ihrem Dafürhalten die bessere, effektivere "Einmischung" ist; das alles muss man nicht teilen, man sollte es aber als Meinungsbeitrag respektieren).

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famulus
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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

Es müsste einfach für jeden mit dem Kopf außerhalb seines Gesäßes klar sein womit man es zu tun hat, wenn er/sie Folgendes liest:
  • "Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität. Aber..."
  • "Wie lange noch soll auf dem Schlachtfeld Ukraine gekämpft und gestorben werden?" - So lange die überfallene Partei eine Verteidigung gegen dieses himmelschreiende Verbrechen beabsichtigt?
  • "Und was ist jetzt, ein Jahr danach, eigentlich das Ziel dieses Krieges?" - Ein konkretes Kriegsziel konnte derjenige, der den Krieg der Ukraine aufgezwungen hat, zugegebenermaßen von anfang an nicht verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig artikulieren. Hinsichtlich der Ukraine kann die Frage kaum ernst gemeint sein.
  • "Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis. Nach den zugesagten Panzern fordert er jetzt auch Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe – um Russland auf ganzer Linie zu besiegen?" - Interessantes Wording, findest du nicht? Wer ist denn der Überfallene? Erfahrungsgemäß benötigt die Ukraine bei unveränderter politischer Lage in Russland genau diese Mittel, um in Sicherheit existieren zu können.
  • "Es ist zu befürchten, dass Putin spätestens bei einem Angriff auf die Krim zu einem maximalen Gegenschlag ausholt." - Woran genau wird diese Befürchtung fest gemacht? Und lädt diese Logik nicht künftig jeden Despoten zu weitergehenden Eskalationsgebaren zur Zielerreichung ein?
  • "Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen. Aber sie kann gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen." - Kühne Behauptung. Die Ukraine soll mit konzertierter und nachhaltiger Unterstützung des gesamten " Westens" nicht gewinnen können. Würde ich mal vorsichtig bezweifeln.
  • "Pattsituation, in der keine Seite militärisch siegen und der Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden kann. Warum dann nicht jetzt?" - Weil sich an den russischen Bedingungen für nur den Beginn! von Verhandlungen nichts geändert hat: Vollständige Erreichung der Kriegsziele inkl. Regierungssturz und Demilitarisierung sowie Behalten der besetzten Gebiete. Worüber soll da bitte verhandelt werden, mit welchem Signal für die Zukunft und mit welcher Gewissheit, dass sich das in einem Jahr nicht wiederholt? Die beteiligten Russen sind jetzt nicht gerade dafür bekannt, sich an in solchen Formaten getroffenen Abmachungen zu halten - sie sind im Gegenteil erwiesenermaßen notorische Lügner, was jegliche Verhandlungen von vornherein ad absurdum führt.
  • "Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten." - Was wären denn in gegenwärtiger Lage die russischen Kompromisse? Dass man die Gewalt suspendiert, mit der man Verluste oder "Verhandlungen" erzwingt? Dann würde ich den "Kompromiss" der Ukraine durchaus einer Kapitulation gleichstellen.
  • "die Eskalation der Waffenlieferungen"
Mir ist es schleierhaft, wie man so zynisch und paternalistisch sein kann, so zu argumentieren oder so eine latent Täter-Opfer-umkehrende Argumentation zu unterstützen. Ich kann mir das nur entweder mit Bösartigkeit oder mit Naivität erklären. Putin lacht sich darüber natürlich tot.

Ich verachte solche "Meinungsbeiträge" und habe wirklich kein Verständnis dafür - also im expliziten Sinne dahingehend, dass ich wirklich nicht verstehe, wie man so denken kann.

Ist Wagenknecht und Schwarzer zwar scheißegal, aber so scheinen es zumindest die Ukrainer zu sehen: https://www.tagesspiegel.de/internation ... 99993.html Aber was tut das schon zur Sache? Wenn einer weiß, was gut und richtig für die Ukrainer ist, dann doch wir bzw. unsere Intellektuellen wie Wagenknecht und Schwarzer.
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

famulus hat geschrieben: Montag 13. Februar 2023, 20:09 Kopf außerhalb seines Gesäßes klar sein
Tut mir leid, aber bei dieser unterirdischen Diskussionskultur möchte ich nicht mitmachen. Das ist das tribalistische Lagerdenken der "Twitterkultur", fernab der Erkenntnisse des so wichtigen "age of enlightenment".

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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

Das alles muss man nicht teilen, man sollte es aber als Meinungsbeitrag respektieren.
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Re: Ukraine

Beitrag von Iriss »

….hoffe doch sehr, dass wir noch so souverän sind selbst zu entscheiden, wie weit unsere Unterstützung der Ukraine geht.
Im Übrigen, lies mal einige Seiten vom von Stich verlinkten Ukraine/Krim Thread.
Interessante Beiträge, vielleicht kühlst du dann ein bisschen runter.
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famulus
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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

Ich kenne den Thread sehr gut.

Natürlich sind wir "noch" so souverän. Es geht mir nicht um Fremdbestimmung im Denken und Handeln - dem Ganzen liegt eine auch ganz egoistische Kosten-Nutzen-Abwägung zugrunde. Welchen Dienst erweisen "wir" als von bestimmten Werten (Souveränität, Demokratie, Frieden...) geprägte Gesellschaften der Region, dem Kontinent und der Welt, wenn wir einem befreundeten, geografisch nahen Staat nicht jede vertretbare Hilfe zur Verteidigung gegen einen Angriff leisten, mit dem ein mafiöser, despotischer, imperialistischer Staat auf nichts anderes als die Auslöschung, Unterdrückung und Annexion eines freiheitlichen Staates abzielt? Was auf eine unterlassene Hilfe folgen würde, kann man sich doch leicht ausrechnen. Die entscheidende Frage ist, ob das denn auf lange Sicht "besser" wäre als unser Weg. Ich denke halt: Nein.

Ich verstehe wirklich nicht, wie sich die Leute "Verhandlungen" zwischen der Ukraine und Russland konkret vorstellen. Ganz abgesehen von dem sich anschließenden Zeitraum, den man mit Blick auf das russische Verhalten in der Vergangenheit ziemlich genau antizipieren kann. Es gibt schlichtweg derzeit keinerlei Grundlage für Verhandlungen, die nicht einer Kapitulation der Ukraine gleichkämen. Das wird einfach völlig ausgeblendet bzw. hingenommen.

Die "Intellektuellen" haben in Wahrheit nur nicht den Schneid, klipp und klar zu sagen: Lasst uns damit in Ruhe, werft die Ukraine den Russen zum Fraß vor und gut ist. Das ergibt doch nach keiner anderen Lesart auch nur einen Ansatz von Sinn.

Ich weiß nicht, was du mit "runterkühlen" meinst? Ich vertrete doch offensichtlich die h.M. der maßgeblichen Staaten in der Welt. Dass ich mich über so haarsträubende Initiativen von irgendwelchen geltungssüchtigen Extremisten ärgere - geschenkt. Beim Verständnis - um das ich mich ehrlich bemühe - ist mir hier aber auch keiner wirklich behilflich. Joshua hat ja wie üblich mit Kusshand den erstbesten formellen Anlass dafür geltend gemacht, sich inhaltlich nicht weiter auseinanderzusetzen zu müssen.
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Re: Ukraine

Beitrag von Backstubentaler »

@Joshua

Ein Glück, dass derartiges, tribalistisches Lagerdenken Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer fremd ist.

Ist Schwarzer auch der Ansicht, dass ein Vergewaltigungsopfer sich besser nicht wehren sollte, dritte ihnen keine Mittel zur Selbstverteidigung geben sollten, damit das ganze nicht eskaliert ("Don't turn this rape into a murder..."), damit z.B. in der Ehe die Kinder nicht noch mehr leiden? Sollten sich beide nicht zu einem Kompromiss zusammenraufen: er prügelt weniger und sie hält den Mund und tut was er sagt? Echte Solidarität kann man doch auch mit einer Tasse Tee und etwas Wundsalbe zeigen.
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Re: Ukraine

Beitrag von famulus »

Es ist schon wirklich eine bodenlose Unverschämtheit, dass Selenskyi aus seinem Ziel, die illegal Eindringenden vom gesamten ukrainischen Sraatsgebiet vertreiben zu wollen, "kein Geheimnis macht". Will er in letzter Konsequenz etwa das gesamte in der Ukraine befindliche russische Militär zerstören? Was erlauben Selenskyi?
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Re: Ukraine

Beitrag von Iriss »

..schade, dass sich die Diskussion hier auf nur noch 3 oder 4 Teilnehmer reduziert hat.
Vergleiche wie Vergewaltigung und Angriffskrieg der Russen-kann man doch nicht zulassen- sind einfach nur schlicht.
Man hat die Interessenlage der Russen einfach zu wenig berücksichtigt-Ja Interessen gibt es und die werden eingefordert.
Darüber steht einiges im Ukraine/Krim Thread.
Interessante Beiträge hier von DJ1988.
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Re: Ukraine

Beitrag von Iriss »

..in einem gewissen „Interessenausgleich-wie ihn sich eben auch Rusland vorstellt, liegt m. E. die einzige Lösung und dass Russland jetzt einen verbrecherischen Angriffskrieg führt macht es eben so schwer.
Es bleibt m.E. Aber kein anderer Weg.
Der andere Weg ist leicht gesagt.
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Re: Ukraine

Beitrag von Theopa »

Iriss hat geschrieben: Dienstag 14. Februar 2023, 16:12 ..in einem gewissen „Interessenausgleich-wie ihn sich eben auch Rusland vorstellt, liegt m. E. die einzige Lösung und dass Russland jetzt einen verbrecherischen Angriffskrieg führt macht es eben so schwer.
Welche legitimen Interessen hat Russland in diesem Krieg, die gefährdet und zu berücksichtigen sind?

Ich habe bisher nur von abstrakten Ängsten ("Umzingelung durch die Nato" o.ä.) gelesen, die aber sicher keine legitimen Interessen begründen, präventiv Nachbarländer zu überfallen.

Die gesamte russische Argumentation ist ein relativ simples Lügenkonstrukt. Der einzige konsequent als ehrliches Ziel herauszulesende Inhalt ist: Man will die Ukraine oder Teile davon einnehmen, um die Ukraine oder Teile davon zu haben und damit Ansehen und Ressourcen für die russische Führung und militärische Vorteile (insb. Krim) zu bekommen bzw. sichern.

Nun wartet man darauf, dass der Westen keine Lust mehr hat, um dann "netterweise" im Wege eines gaaaanz großen Nachgebens nur ein Drittel der Ukraine zu Russland machen zu können. Damit hat man dann ggf. sogar mehr erreicht als ursprünglich geplant war, Russland feiert den Endsieg und stilisiert die Gefallenen zu Helden, die ihre russischen Brüder und Schwestern aus den Fängen der ukrainischen Nazis befreit haben. Dann macht man zehn Jahre Pause, wartet bis die nächste arme unterdrückte russische Minderheit um Hilfe ruft und beginnt die nächste Runde.
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