Gutachtenstil

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Scindere
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Gutachtenstil

Beitrag von Scindere »

Liebe Community,

Ich habe als Jura-Erstie eine ganz grundlegende Frage hinsichtlich des Gutachtenstils.

Ich würde gern ein Gutachten zu einer strafrechtlichen Fragestellung schreiben. Wenn ich mir Beispiele zum, Gutachtenstil anschaue, finde ich unterschiedliche Ansätze. Ich bin etwas verunsichert und mir ist nicht klar, woran ich mich orientieren kann.

Beispiel:

„ I. Tatbestand

1. Tod eines anderen Menschen
K ist tot, der tatbestandliche Erfolg des § 211 StGB ist somit eingetreten.

2. Handlung
Der Schlag des T stellt eine Handlung im Sinne des Strafrechts dar.“

In anderen Gutachten habe ich schon gesehen, dass vorher „Handlung“ definiert wird (Jedes menschliche, körperliche und vom Willen…).

Ich nehme an, dass sich dies nach der Strittigkeit eines Prüfungspunkts richtet. Zunächst: liege ich da richtig? Wenn ja, ist mir nicht klar, wonach sich diese richtet..

Wie wird Ihr als Erstsemester an ein Gutachten rangehen?

Vielen lieben Dank für jede Hilfe, auch wenn es sicherlich für viele banal erscheint!
Theopa
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Re: Gutachtenstil

Beitrag von Theopa »

Zunächst einmal musst du zwischen dem echten Gutachtenstil und dem in deinem Beispiel auftauchenden "Feststellungsstil" unterscheiden. Wenn der Prüfungspunkt zu 100% unproblematisch ist, stellt man den Inhalt in einem Satz fest wie in deinem Beispiel oder verzichtet ganz darauf ihn anzusprechen.

An deinem Beispiel könnte man nun auch schon ein bisschen meckern, präziser wäre aus meiner Sicht:
1. Tod eines anderen Menschen
Der Mensch K ist tot, der tatbestandliche Erfolg des § 211 StGB ist somit eingetreten.

2. Handlung
K schlug mit einem Hammer auf den Kopf des K. Dieser Schlag stellt eine Handlung im Sinne des Strafrechts dar.“

Sobald ein Punkt auch nur ein bisschen problematisch wird, nutzt du den echten Gutachtenstil. Dieser besteht aus
1) Einem Obersatz, der den Tatbestand beschreibt
2) Der Darstellung der Voraussetzungen des Tatbestands
3) Den Definitionen
4) Der Subsumtion des Lebenssachverhalts unter 2) und 3)
5) dem Ergebnis.

Das könnte dann, wenn man es wirklich auf die Spitze bringen und auch unproblematisches ausführen will, wie folgt aussehen, wobei die Nummern keine Gliederungsziffern sind, sondern nur der Veranschaulichung dienen:
1)T könnte den objektiven Tatbestand des Totschlags erfüllt haben, indem er dem K mit einem Hammer auf den Kopf schlug.
2) Hierfür müsste er durch eine aktive Handlung kausal und objektiv zurechenbar den Tod eines anderen Menschen herbeigeführt haben.
3a)
- Handlung ist...
4a)
T nutzte seine Körperkraft, um den Hammer nach oben und sodann sehr schnell nach unten auf den Kopf des K zu bewegen, worauf dessen Schädel zertrümmert wurde, handelte also aktiv.
3b)
- taugliches Tatobjekt ist....
4b)
K ist ein bereits geborener Mensch.
3c)
- der Todeseintritt wird angenommen, sobald...
4c)
K war hierauf hirntot und damit tot im strafrechtlichen Sinne.
3e)
- Kausal ist...
etc.

Die Frage, wann du in welchem Stil prüfst ist zu Beginn ziemlich simpel zu beantworten: Immer Gutachtenstil!

Sobald man sich langsam durch die Themen bewegt und gewisse Dinge nicht mehr genauer behandelt beginnt man diese wegzulassen bzw. ggf. festzustellen. Das ist einfach ein Übungsprozess, dafür gibt es die Arbeitsgemeinschaften/Übungen/etc.

Völlig unproblematische Dinge wie die Frage, ob der K ein taugliches Tatobjekt ist werden im Regelfall selbst in der Erstsemesterklausur schon nicht mehr erwähnt, solange es nicht explizit problematisch ist, also falls z.B. der T einen Mensch erschießen wollte aber eine Ziege traf.
Scindere
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Re: Gutachtenstil

Beitrag von Scindere »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Das hat mir sehr weitergeholfen!
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