Liebe alle,
höre gerade den StPO-Podcast von Schünemann. Er hat erzählt, die Einführung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der OLGe für Staatsschutzsachen (früher nur eine Instanz - BGH) ginge darauf zurück, dass damals ein Richter des 3. Strafsenats im Spiegel unter Pseudonym gegen die Rspr seines eigenen Senats geätzt hätte (wohl ein Fischer der 60er Jahre…). Klingt nach wildem Tea, ich finde aber selbst unter gewissenhafter Ausreizung meines Beck-online-Zugangs nichts dazu…
Hat irgendjemand hier Ahnung davon/schonmal was davon gehört - war das wirklich so? Wissen wir, wie der Gute hieß? Wüsste da gerne mehr dazu… :‘)
rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
Moderator: Verwaltung
-
- Newbie
- Beiträge: 3
- Registriert: Samstag 11. März 2023, 13:38
-
- Häufiger hier
- Beiträge: 87
- Registriert: Dienstag 26. Mai 2020, 00:47
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
Re: rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
Ich hab mal spaßeshalber etwas danach gegoogelt. Was vielleicht ein Ansatzpunkt für weitere Recherchen diesbezüglich sein könnte:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110905953.656/pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
Ich hab das Dokument nicht erworben (Jura nur als Hobby) und weiß nicht, ob es dich weiter bringt. Aber speziell die Rn. 41 hört sich interessant an....
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110905953.656/pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
Ich hab das Dokument nicht erworben (Jura nur als Hobby) und weiß nicht, ob es dich weiter bringt. Aber speziell die Rn. 41 hört sich interessant an....
- scndbesthand
- Mega Power User
- Beiträge: 1995
- Registriert: Freitag 18. Januar 2008, 17:08
- Ausbildungslevel: Anderes
Re: rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
Das Gesetz zur Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutzsachen datiert vom 8.9.1969 (BGBl. I 1582).
Im Spiegel-Archiv finden sich in den 1960er Jahren immer mal wieder einige Beiträge ohne Autorennennung mit Kritik am 3. Strafsenat. Einer davon datiert vom 19.02.1963 und kritisiert auffällig NJW-Aufsätze von Mitgliedern des Staatsschutzsenates, nämlich Jagusch und Willms. Die anonym Kritisierten kann man dann wohl von der Liste der Verdächtigen streichen.
Viel Spaß bei der weiteren Recherche!
Im Spiegel-Archiv finden sich in den 1960er Jahren immer mal wieder einige Beiträge ohne Autorennennung mit Kritik am 3. Strafsenat. Einer davon datiert vom 19.02.1963 und kritisiert auffällig NJW-Aufsätze von Mitgliedern des Staatsschutzsenates, nämlich Jagusch und Willms. Die anonym Kritisierten kann man dann wohl von der Liste der Verdächtigen streichen.
Viel Spaß bei der weiteren Recherche!
„Willkommen beim kassenärztlichen Servicecenter. Hinweise zum Datenschutz finden Sie unter ElfSechsElfSieben Punkt DeEh Släsch Datenschutz. Wenn Sie in einer lebensbedrohlichen Situation sind, legen Sie bitte jetzt auf und wählen EinsEinsZwei.“
-
- Newbie
- Beiträge: 3
- Registriert: Samstag 11. März 2023, 13:38
rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
(edit: gelöscht weil aus Versehen doppelt gepostet)
Zuletzt geändert von ingeborgschwuppe am Samstag 18. März 2023, 10:38, insgesamt 1-mal geändert.
-
- Newbie
- Beiträge: 3
- Registriert: Samstag 11. März 2023, 13:38
Re: rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
Moin, erstmal danke für eure Antworten - kleines follow-up, weil ich mittlerweile ein bisschen mehr gefunden habe und das ja vielleicht von Interesse ist:
Anscheinend war das tatsächlich Heinrich Jagusch, ab 1954 im Staatsschutzsenat, später sogar Senatspräsident, ab 1962 dann Präsident des 4. Senats. Geschrieben hat er unter Pseudonym, auf Nachfrage des BGH-Präsidenten leugnete er zuerst, dass er Autor war.
Aus seiner Feder stammten wohl:
Handel mit Verrätern, aus: SPIEGEL, 37/1964 - hier äußert er sich insb. mit Blick auf den Legalitätsgrds kritisch über die Entlassung eines mutmaßlichen DDR-Spions durch den BGH
(https://www.spiegel.de/politik/handel-m ... text=issue)
Droht ein neuer Ossietzky-Fall?, aus: SPIEGEL, 45/1964 - sehr kritisch zur Spiegel-Anklage wg. Landesverrats, lesenswert imho! (Wenn man sich für so etwas begeistern mag…)
(https://www.spiegel.de/politik/droht-ei ... 0046175943)
Nachdem die Nummer rauskam, hier gesammelte Pressestimmen etc. im SPIEGEL, 47/1964: Heinrich Jagusch - „Ein Opfergang“ (https://www.spiegel.de/politik/heinrich ... 0046176124).
Die von Schünemann behauptete Kausalität zwischen diesen Texten und der GVG-Novelle konnte ich bisher noch nicht erkennen, in jedem Fall aber lustige Story!
Anscheinend war das tatsächlich Heinrich Jagusch, ab 1954 im Staatsschutzsenat, später sogar Senatspräsident, ab 1962 dann Präsident des 4. Senats. Geschrieben hat er unter Pseudonym, auf Nachfrage des BGH-Präsidenten leugnete er zuerst, dass er Autor war.
Aus seiner Feder stammten wohl:
Handel mit Verrätern, aus: SPIEGEL, 37/1964 - hier äußert er sich insb. mit Blick auf den Legalitätsgrds kritisch über die Entlassung eines mutmaßlichen DDR-Spions durch den BGH
(https://www.spiegel.de/politik/handel-m ... text=issue)
Droht ein neuer Ossietzky-Fall?, aus: SPIEGEL, 45/1964 - sehr kritisch zur Spiegel-Anklage wg. Landesverrats, lesenswert imho! (Wenn man sich für so etwas begeistern mag…)
(https://www.spiegel.de/politik/droht-ei ... 0046175943)
Nachdem die Nummer rauskam, hier gesammelte Pressestimmen etc. im SPIEGEL, 47/1964: Heinrich Jagusch - „Ein Opfergang“ (https://www.spiegel.de/politik/heinrich ... 0046176124).
Die von Schünemann behauptete Kausalität zwischen diesen Texten und der GVG-Novelle konnte ich bisher noch nicht erkennen, in jedem Fall aber lustige Story!
- thh
- Super Mega Power User
- Beiträge: 5292
- Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
Re: rechtshistorischer Tea - weiß jemand mehr?
Das materielle Staatsschutzstrafrecht wurde durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz http://www.bgbl.de/Xaver/start.xav?star ... 41.pdf%27] modernisiert
Das bereits erwähnte Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen beruht auf einer Entschließung des Bundestags bei Verabschiedung des 8. Strafrechtsänderungsgesetzes. Dabei wurde der Verlagerung der erstinstanzlichen Zuständigkeit auf die Oberlandesgerichte der Vorzug gegeben vor der Einrichtung eines besonderen erstinstanzlichen Bundesgerichts für Staatssschutzstrafsachen als Eingangsinstanz vor dem BGH oder der Einführung eines Rechtsmittelzuges innerhalb des BGH, auch wenn dafür das Grundgesetz geändert werden musste (Art. 96 Abs. 5 GG), damit Gerichte der Länder die Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben können.
Der Gesetzentwurf mit Begründung steht im DIP zur Verfügung https://dserver.bundestag.de/btd/05/040/0504086.pdf; der Gesetzentwurf für das 26. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) vom 26.08.1969 ebenfalls https://dserver.bundestag.de/btd/05/040/0504085.pdf.
Naheliegenderweise dürfte die Änderung weniger auf Spiegel-Artikeln als vielmehr auf der Erwägung beruht haben, dass auch - vielleicht gerade! - in Staatsschutzstrafsachen ein Instanzenzug rechtsstaatlich geboten ist. Das scheint sich mir auch aus dem historischen Teil des Gutachtens von Paeffgen zu ergeben https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/ ... ersion.pdf, dort Seite 13.
Das bereits erwähnte Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen beruht auf einer Entschließung des Bundestags bei Verabschiedung des 8. Strafrechtsänderungsgesetzes. Dabei wurde der Verlagerung der erstinstanzlichen Zuständigkeit auf die Oberlandesgerichte der Vorzug gegeben vor der Einrichtung eines besonderen erstinstanzlichen Bundesgerichts für Staatssschutzstrafsachen als Eingangsinstanz vor dem BGH oder der Einführung eines Rechtsmittelzuges innerhalb des BGH, auch wenn dafür das Grundgesetz geändert werden musste (Art. 96 Abs. 5 GG), damit Gerichte der Länder die Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben können.
Der Gesetzentwurf mit Begründung steht im DIP zur Verfügung https://dserver.bundestag.de/btd/05/040/0504086.pdf; der Gesetzentwurf für das 26. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) vom 26.08.1969 ebenfalls https://dserver.bundestag.de/btd/05/040/0504085.pdf.
Naheliegenderweise dürfte die Änderung weniger auf Spiegel-Artikeln als vielmehr auf der Erwägung beruht haben, dass auch - vielleicht gerade! - in Staatsschutzstrafsachen ein Instanzenzug rechtsstaatlich geboten ist. Das scheint sich mir auch aus dem historischen Teil des Gutachtens von Paeffgen zu ergeben https://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/ ... ersion.pdf, dort Seite 13.