Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Grünefelder
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Grünefelder »

Mandant: Herr Anwalt, kann ich den Handyhüllenverkäufer erfolgreich verklagen, weil er mir die Hülle nicht geschickt hat und mein Handy runtergefallen und kaputtgegangen ist? Meine Frau sagt nein, weil ich Hüllen nur bei unseren Wanderungen, nicht aber Zuhause, wo es mir runtergefallen ist, benutze.

Anwalt: Kein Problem, da muss ich noch nicht einmal gegen die zivilprozessuale Wahrheitspflicht verstoßen und behaupten, Sie hätten die Hülle immer benutzt. Ich werde nämlich keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen Anspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis mit dem Handyhüllenverkäufer geltend machen.
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scndbesthand
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von scndbesthand »

Joshua hat geschrieben: Montag 18. März 2024, 16:54
Strich hat geschrieben: Montag 18. März 2024, 12:07 Derjenige, der eine Handyhülle bestellt, will (aus vertraglicher Sicht, wenn man so argumentiert) das Handy nicht ohne Hülle verwenden. Verwendet er es trotzdem, ist das sein Entschluss. Er setzt das Risiko der Beschädigung, nicht der Verkäufer.
Nein, letzteres ist grob unrichtig. Er kann und muss nicht das Handy zu Hause liegen lassen und seine Unerreichbarkeit herbeiführen. Der Entschluss, das Handy ohne Hülle mitzunehmen, ist nicht insgesamt freiwillig, sondern in dem Element "ohne Hülle" auferzwungen, wenn der Verkäufer vertragswidrig nicht liefert. Gegen dieses Risiko hat sich der Käufer durch die Bestellung und den erworbenen fälligen Anspruch gleichsam "versichert".
Ich finde es grob unrichtig zu sagen Lord Strichs Argumentation sei unrichtig.
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Joshua »

In diesem Fall nicht.

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Tibor
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Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Tibor »

Euch ist aber schon klar, dass das hier zu 99% eine Hausarbeitenbesprechung sein dürfte?

Aber ich bin ja kein Mod mehr.
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Julia »

Ja, die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Allerdings hab ich bislang jedenfalls den entsprechenden Sachverhalt nicht gefunden, und über die Daten, die mir zur Verfügung stehen, kann ich auch nichts näheres rausfinden...
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Strich
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Strich »

Hmm selbst wenn das der Fall ist, ich habe das mittlerweile mit so viele Juristen privat besprochen, dass ich es einfach für zu interessant finde. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass der Fall mir meine Unkenntnis des SR AT vor Augen führt. Er sieht so simpel aus, dass er auf jeden Fall vom BGB Gesetzgeber mitgedacht sein muss.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben: Dienstag 19. März 2024, 11:25 Euch ist aber schon klar, dass das hier zu 99% eine Hausarbeitenbesprechung sein dürfte?

Aber ich bin ja kein Mod mehr.
Fähigkeit und Bereitschaft, miteinander zu diskutieren, sind hier mittlerweile nahe der Todeszone. Hausarbeitenspicker können daher keinen Honig mehr aus Threads im Jurawelt-Forum saugen.
Zuletzt geändert von Joshua am Samstag 23. März 2024, 16:56, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Tibor »

Stimmt, weil keiner deiner (der richtigen) Meinung ist.
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von gola20 »

Feuerlöscher kam zu spät. Haus abgebrannt. Schadensersatz?
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Tibor »

Natürlich nicht. Feuerlöscher gibt es überall zu kaufen; wer das Brandrisiko also im Verzögerungsfall nicht tragen will, muss Ersatzbeschaffung vornehmen und kann ggf höheren Preis, Fahrtkosten zum Laden etc als Verzögerungsschaden geltend machen.
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von gola20 »

Klingt überzeugend und dürfte auch für Fahrradhelm und Handyhülle gelten, oder?
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben: Freitag 22. März 2024, 14:20 Natürlich nicht. Feuerlöscher gibt es überall zu kaufen; wer das Brandrisiko also im Verzögerungsfall nicht tragen will, muss Ersatzbeschaffung vornehmen und kann ggf höheren Preis, Fahrtkosten zum Laden etc als Verzögerungsschaden geltend machen.
Jetzt fehlt nur noch die juristische Begründung für dein Bauchgefühlchen.

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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Joshua »

Joshua hat geschrieben: Montag 11. März 2024, 23:21 Ja, das ist alles unstreitig und nicht der Punkt. Wie willst du den Fall bzw. die untersch. skalierten Varianten lösen und die Risiken verteilen?
A) Adäquanz?
B) Vertragsinhaltlich determinierte Adäquanz?
C) Schutzzweck der Norm = der verletzten Vertragspflicht?
D) Unterbrechung der objekt. Zurechnung?
E) Stillschw. Haftungsausschluss für best. Schäden?
F) Mitverschulden?

ME
A ist fernliegend. Der Schutzhülle soll schützen. Der Helm erst recht.
B ist dogmatisch überflüssig. Dann gleich C oder E.
C ist ein machbarer Ansatz, aber eigentlich eine Verschleierung von E.
D ist im extremen Einzelfall sicher denkbar, aber kaum der Hauptansatzpunkt auf der Skala.
E ist die beste, dogmatisch ehrlichste Lösung.
F spielt eher eine ergänzende Rolle.
Hier eine kleine Hilfe.

Ich bin gespannt auf deine Antwort!

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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Tibor »

Ich dachte das wurde hier schon klar. Es geht nicht um Kausalität (rein naturwissenschaftlich), sondern um Adäquanz. Also durch Wertungen reine Kausal-Ergebnisse korrigieren. Und hierfür ist eben der konkrete Einzelfall erforderlich. Umso ungewöhnlicher das Handynutzungsverhalten ist, umso eher muss man auf die Wichtigkeit zeitgerechter Lieferung hinweisen. Dabei geht es auch um den Verkäufer. Wenn ich bei einem Online-Shop eine Hülle bestelle, die 1-3 Tage Lieferzeit aufweist, kann ich nicht sofort - überhaupt schon Verzug? - gefahrgeneigt aktiv werden. Sichert der Verkäufer aber 24h-Express-Lieferung zu, mag es anders aussehen. Zudem geht es auch darum, ob es eine Ware ist, die man überall kaufen kann oder nicht. Die Handyhülle ist eben nur ein schwer typisierbarer Fall.

Wenn du bei Amazon ein neues Hemd bestellst, weil du ein Bewerbungsgespräch hast und dann ist das Hemd nicht schnell genug da, dann kann man wohl kaum im T-Shirt zum Gespräch gehen und den Ausfallschaden (höheres Gehalt im neuen Job) als adäquat kausalen Schaden ansehen. Insoweit muss bei Ware von der Stange schlicht beachtet werden, dass jedermann überall Ersatz beschaffen kann. Ein Verzögerungsschaden ist nur dann adäquat kausal, wenn es dem angemessenen/entsprechendem Lauf der Dinge entspricht, dass die verzögerte Ware unmittelbar zu Schäden führt, weil jede Verzögerung unmittelbar den Schaden verursacht. Das Kriterium der Adäquanz soll ja gerade Kausalitäten durch Wertungen korrigieren.
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Re: Schadensersatz bei Schutzvorrichtungen

Beitrag von Joshua »

Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (vgl. nur BGH NJW 1995, 126 [127]; NJW 1976, 1143 = VersR 1976, 639 [640] für psychischen Gesundheitsschaden; BGH NJW 2012, 2964 = VersR 2012, 1133 Rn. 12)
Von Rümelin und Enneccerus ins Zivilrecht übertragen sondert sie diejenigen Schadensfolgen aus dem Haftungszusammenhang aus, die auf einem ganz unwahrscheinlichen Kausalverlauf beruhen. [...] Ähnliches leistet im Common Law oder in den Principles of European Contract bzw. Tort Law (Art. 3:201 lit. a PETL und Art. 9:503 PECL) das Kriterium der Forseeability.
Brand, in BeckOGK BGB, 249 Rn. 238

Dieses Kriterium der "Adäquanz" dürfte also vollkommen ungeeignet sein, um die hier genannten Fallkonstellationen der Schutzhülle für ein Handy oder eines Feuerlöschers zum Verhüten von Brandschäden zu erfassen.

Wie in den zitierten Fundstellen ausgeführt, geht es darum, ganz außergewöhnliche Kausalverläufe, die zur Folge haben, dass ein Schaden für den Schuldner nicht vorhersehbar ist – daher die Parallele zum englischen Schadensbegriff der forseeability– auszusondern. Es geht darum, dass der Schuldner bei Vertragsschluss das betreffende Haftungsrisiko soll einschätzen können, was es ausschließt, dass er mit Schäden aus ganz unwahrscheinlichen Kausalverläufen konfrontiert wird. In den hier genannten Beispielen ist das nicht der Fall. Wenn das Handy nämlich ohne die Schutzhülle runterfällt und daher beschädigt wird, ist dies exakt der Schaden, vor dem die Schutzhülle schützen soll. Es ist also ein Paradebeispiel für bestehende Vorhersehbarkeit. Entsprechendes gilt für den Feuerlöscher...

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