Hallo,
ich habe kürzlich das Referendariat begonnen und es hat sich folgende Frage für mich ergeben (unabhängig vom Ref).
Wenn der Beklagte zur Herausgabe von bspw. einem Fahrzeug verurteilt wird, dann richtet sich die Zwangsvollstreckung des Titels nach § 883 I ZPO. Im Tenor muss die Sache dazu derart bestimmt bezeichnet sein, dass der GV allein auf Grund des Titels, die herauszugebende Sache identifizieren kann - sofern es sich nicht um vertretbare Sachen iSd § 91 BGB handelt. Das ist auch soweit völlig verständlich.
Was ist aber, wenn der Schuldner die herauszugebende Sache verändert/Teile entfernt? § 883 II ZPO erfasst jedenfalls vom Wortlaut nur den Fall, dass die Sache überhaupt nicht da ist.
Würde in dem Fall:
1) Der GV trotzdem den Titel nach § 883 I ZPO vollstrecken, solange die Sache identifizierbar bleibt, und für den "fehlenden/entfernten Rest", der auf Grundlage des Tenors nicht bestimmt werden kann, müsste der Gläubiger einen neuen Titel zur Herausgabe oder ggf. Schadensersatz erwirken?
oder
2) Stellt die veränderte Sache eben etwas "anderes" als die im Tenor bezeichnete dar, sodass quasi die herauszugebende Sache nicht aufzufinden ist und damit ein Fall des § 883 II ZPO bestünde?
Womöglich übersehe ich gerade auch einfach etwas und bin ehrlich gesagt auch etwas erstaunt, dass für den Fall in der ZPO nichts geregelt ist / ich auf Anhieb nichts finde. Schließlich gibt es die strafrechtliche Seite in § 288 StGB und das Zwangsvollstreckungsrecht ist an für sich recht detailliert geregelt. Auch in der bislang dazu eingesehenen Literatur wurde auf den Fall überhaupt nicht eingegangen, sodass mir scheint als müsste es eine recht offensichtliche Lösung geben.
Freue mich über jede erhellende Antwort.
Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Moderator: Verwaltung
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Re: Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Moin,
Der Gerichtsvollzieher prüft lediglich, ob die wegzunehmende Sache die aus dem Titel ist. Ihm ist das piepegal, in welchem Zustand diese sich befindet, zumal davon ja auch nichts im Tenor steht.
Hope that helps.
Viele Grüße aus Lübeck!
Der Gerichtsvollzieher prüft lediglich, ob die wegzunehmende Sache die aus dem Titel ist. Ihm ist das piepegal, in welchem Zustand diese sich befindet, zumal davon ja auch nichts im Tenor steht.
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Re: Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Zum Teil beantwortet es die Frage im Hinblick auf den GV, aber das war auch recht sinnig und soweit klar. Heißt das jedoch bei einem Fahrzeug, dass der Vollstreckungsschuldner theoretisch auch die Räder o.ä. entfernen könnte, denn der Titel bezieht sich ja nur auf das Fahrzeug mit einem bestimmten fabrikat und Farbe und eindeutiger FIN?
Zudem hat das Entfernen keine Sanktion für den Vollstreckungsschuldner zur Folge, auch dann nicht, wenn dadurch die Sache unbrauchbar wird? Ist die einzige Möglichkeit des Gläubigers dann einen neuen Prozess zu führen mit dem Antrag auf Herausgabe auf die entfernten Sachen und/oder SE? Das erscheint allein schon aus der prozessökonomie heraus nicht sinnig. Außerdem könnte der Schuldner ja bei einem neuen Titel wieder etwas von der herauszugebenden Sache entfernen - sofern möglich - und dann ginge das wieder von vorne los.
Zudem hat das Entfernen keine Sanktion für den Vollstreckungsschuldner zur Folge, auch dann nicht, wenn dadurch die Sache unbrauchbar wird? Ist die einzige Möglichkeit des Gläubigers dann einen neuen Prozess zu führen mit dem Antrag auf Herausgabe auf die entfernten Sachen und/oder SE? Das erscheint allein schon aus der prozessökonomie heraus nicht sinnig. Außerdem könnte der Schuldner ja bei einem neuen Titel wieder etwas von der herauszugebenden Sache entfernen - sofern möglich - und dann ginge das wieder von vorne los.
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Re: Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Klar ist das so, dass der Gl dann einen neuen Prozess führen muss. Aber anders dürfte das nicht funktionieren. Wenn der Sch im Rahmen der ZVS Mist baut und die titulierte Sache beschädigt, dann haftet er. Und muss ggf. neu verklagt werden.
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Re: Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Ich hätte es nicht für ganz abwegig gehalten, dass es gegebenenfalls eine unmittelbare Lösung im Zwangsvollstreckungsrecht hätte geben können wir ja auch eine Klausel auf den neuen Rechtsinhaber/Rechtsnachfolger umgeschrieben werden kann. Aber ja hierfür gibt es tatsächlich keine Regelung mit Ausnahme des vollständigen Nichtvorhandenseins der Sache.
Lässt sich sicherlich auch dadurch rechtfertigen, dass jede Konsequenz Tatsachenfeststellungen und rechtlicher Würdigung bedurfte und damit vom Richter entschieden werden müsste sowie ja die Rechtsbehelfe im ZVS sonst auch bspw 767, 771 ZPO.
Ich danke für die Hilfestellung. Prozessrecht und ZVS ist durchaus spannend, gerade jetzt mit der Praxis aber dadurch ergeben sich eben auch Fragen, die einem bei rein akademischer Betrachtung noch nicht in den Sinn kamen
Lässt sich sicherlich auch dadurch rechtfertigen, dass jede Konsequenz Tatsachenfeststellungen und rechtlicher Würdigung bedurfte und damit vom Richter entschieden werden müsste sowie ja die Rechtsbehelfe im ZVS sonst auch bspw 767, 771 ZPO.
Ich danke für die Hilfestellung. Prozessrecht und ZVS ist durchaus spannend, gerade jetzt mit der Praxis aber dadurch ergeben sich eben auch Fragen, die einem bei rein akademischer Betrachtung noch nicht in den Sinn kamen
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Re: Herausgabevollstreckung bei veränderter Sache
Gern. Ich finde das toll, wie du Dinge hinterfragst. Das ging mir völlig ab, leider. Wenn ich nochmals Referendar sein könnte, würde ich vieles anders machen.