Welche Ansprüche sind in so einem Fall zu prüfen?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Annabela
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Welche Ansprüche sind in so einem Fall zu prüfen?

Beitrag von Annabela »

Guten Abend!
Ich hätte eine Frage.
Und zwar ist insbesondere im Zivilrecht oft der Fall, dass alle in Betracht kommende Ansprüche zu prüfen sind.
Also sowas wie „Welche Ansprüche haben A und X gegeneinander?“.

Meine Frage ist aber nun, wenn im Sachverhalt Angaben sind wie „X hat es satt und will lediglich vom Vertrag zurücktreten“, sind die Ansprüche auf die Wünsche des X zu beschränken oder ist in dem Fall alles, was überhaupt in Frage kommt, zu prüfen? Also beim Rücktritt zum Beispiel auch eine Minderung?

Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt, ich wollte mich nämlich so kurz wie möglich halten. Und vielen Dank im Voraus für jegliche Hilfe
KMR
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Re: Welche Ansprüche sind in so einem Fall zu prüfen?

Beitrag von KMR »

Das kommt drauf an. Eine sehr weit gefasste Aufgabenstellung, die weiteste ist mWn "Wie ist die Rechtslage?, ist heutzutage eher selten bis nicht anzutreffen - so sagten die Lehrstuhlinhaber während meiner Studienzeit. Deine Aufgabenformulierung kann natürlich sowohl sehr weit sein als auch recht eng. In der Regel sollte sich aus dem Sachverhalt ergeben, was denn Sinn ergäbe.

Wenn bspw. es eine kaufvertragliche Beziehung zwischen A und X gibt und es, der wahrscheinlichste Fall, zu einer Leistungsstörung gekommen ist, in welcher Form auch immer, dann müssen natürlich Ansprüche des Leistungsstörungsrechts geprüft werden. Das kann vor Gefahrübergang dann das allgemeine Leistungsstörungsrecht sein, das heißt zuvorderst die §§ 280 ff. BGB und §§ 346 ff. BGB, ggf. müssen die §§ 327 ff. BGB berücksichtigt werden, wenn es sich um einen Verbrauchervertrag iSd § 310 III BGB handelt. Nach Gefahrübergang wären dann eben die §§ 434 ff. BGB maßgeblich.

Wenn wiederum es darum geht, das X eine Sache, die A gehört, verkauft hat, ohne dass das mit dem A zuvor abgesprochen war. Dann kommen natürlich damit korrespondierende Ansprüche in Betracht: Das sind dann zuvorderst solche aus GoA, EBV, ggf. unerlaubte Handlung, bereicherungsrechtliche, da ggf. auch über §§ 819 I, 818 IV, 292 wieder ins EBV.

Dass eine Person sagt, sie wolle lediglich den Rücktritt erklären, ist ja erstmal nur eine wichtige Sachverhaltsinformation für mögliche Rücktrittsvoraussetzungen. Der Rücktritt selbst stellt jedoch keine Anspruchsgrundlage dar, sondern ist ein Gestaltungsrecht.

Naja, man nehme mal an, der X hat etwas bei A gekauft und bezahlt, aber der A liefert nicht. Dann ist natürlich bei einer derart weiten Aufgabenstellung, es möglich und mE richtig, zunächst den Primäranspruch auf Erfüllung der vertragliche vereinbarten (Hauptleistungs-)Pflichten (hier: Übergabe und Übereignung der Kaufsache, § 433 I 1 BGB) zu prüfen. Allerdings können auch Sekundäransprüche auf Schadensersatz geprüft werden. Zusätzlich können vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen Rückgewähransprüche bestehen.
Annabela
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Re: Welche Ansprüche sind in so einem Fall zu prüfen?

Beitrag von Annabela »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!!
Es kommt also, wie so oft in Jura, darauf an.
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Ambitiosus_Advocatus
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Re: Welche Ansprüche sind in so einem Fall zu prüfen?

Beitrag von Ambitiosus_Advocatus »

Die Antwort, dass es darauf ankäme, ist zu pauschal.

Vielmehr bedarf es eines strukturellen Auffängers.

Die Suche nach der einschlägigen Anspruchsgrundlage richtet sich alleine nach der gegenständlichen Klausurfrage.

Bei einer zu umfänglichen AGL-Suche und Prüfung würde man nicht nur unnötig Gehirnschmalz verhindern - sondern auch die Schwerpunktsetzung dramatisch verfehlen.

Folgende Faustformel empfiehlt sich mE daher: desto ungenauer die Formulierung der Frage (à la "Wie ist die Rechtslage ?") desto umfänglicher die AGL-Prüfung.

Im Umkehrschluss: desto genauer die Frage, desto beschränkter die Prüfung.

Wird zum Beispiel im Rahmen der wirksamen Ausübung eines Rücktrittsrechts nach Herausgabe gefragt, würde man nur §346 I BGB prüfen.

Besteht weiterhin Unklarheit ist die Fallfrage mit den sachverhaltlichen Ausprägungen zu bereichern.

Da oft in Klausuren die Äußerungen der Involvierten vorsätzlich "rechtslaienhaft" formuliert werden, muss man daher schlicht nach dem Rechtsziel des Anspruchstellers fragen.

Was meine ich damit ?

Stellt sich beispielsweise im Rahmen einer kaufrechtlichen Klausur, ob der Verkäufer die mangelhafte Sache zurückverlangen möchte, dann muss man diejenige AGL suchen, die zu jenem Ergebnis führen würde. Spricht er von einem "Rücktritt" ist vorrangig §346 I zu prüfen. Dies setzt jedoch nicht nur die wirksame Ausübung eines Rücktrittsrechts voraus, sondern kann sich auch durch §281 V oder §439 VI ergeben.


Kurzgesagt: nach der Konkretheit der Klausurfrage arbeiten und ggf. die Außagen im Sachverhalt zielführend einsetzen.
"The clearest way to show what the rule of law means to us in everyday life is to recall what has happened when there is no rule of law." - Dwight D. Eisenhower.
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