Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Choryphäe124
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Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Hallo zusammen,

ich habe eine Frage zu folgendem fiktiven Sachverhalt:

A schreibt eine E-Mail an einen Rechtsanwalt, in dem er ihm ein Rechtsanliegen schildert und diesen bittet, ihm dabei Hilfe zu leisten. Der Rechtsanwalt hat nach 2 Wochen immer noch nichts von sich hören lassen und weil A inzwischen von einem befreundeten Rechtsanwalt zufriedenstellend beraten wurde, schreibt er eine E-Mail, dass es keiner Rechtsberatung mehr bedarf.

Bei der ersten E-Mail handelt es sich ja um einen Antrag nach §145 BGB, oder?
Ist dieser durch die zweite E-Mail wirksam widerrufen worden? Oder kann der Rechtsanwalt dem A jetzt immer noch eine schriftliche Beratung zukommen lassen und von ihm Geld dafür verlangen.
Torsten Kaiser
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Torsten Kaiser »

Das Angebot wurde dann wohl nicht wirksam angenommen, schau mal in §§ 146,147 BGB. Bist du Jurist oder Juristin?
Choryphäe124
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Ich bin kein Jurist, ich bin rechtsinteressiert. Sonst könnte ich mir die Frage wahrscheinlich selbst beantworten^^ Ich bin verwirrt, weil ich überall lese, dass der Widerruf eines Antrags nur wirksam ist, sofern er vor oder gleichzeitig mit diesem erfolgt. Aber nach meinem Rechtsempfinden kann es ja nicht sein, dass im vorliegenden Fall der Antrag immer noch angenommen werden kann. Das erscheint mir unverhältnismäßig.
KMR
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von KMR »

§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ja, man kann das Wirksamwerden einer Willenserklärung grundsätzlich nur verhindern, wenn der Widerruf gleichzeitig oder vor der zu widerrufenden Willenserklärung zugeht.

Ansonsten gibt es kein allgemeines Widerrufsrecht o.ä. Denn es gilt allgemein der Grundsatz pacta sunt servanda - Verträge sind zu erfüllen und man ist an sie gebunden. Das Widerrufsrecht stellt eine seltene Ausnahme von diesem Grundsatz dar, insbesondere, da das Widerrufsrecht keine Leistungsstörung o.ä. zur Loslösung verlangt wie bspw. ein Rücktrittsrecht. Vielmehr gibt es gezielte Widerrufstatbestände, wonach bei bestimmten Verträgen, die unter bestimmten Voraussetzunge geschlossen wurden, ggf. ein Widerrufsrecht bestehen kann. Ein Beispiel dafür ist § 312g Abs. 1 oder § 495 Abs. 1 BGB. Davon gibt es dann in der Regel jedoch wiederum großzügige Ausnahmen, siehe dazu unter anderem den § 312g Abs. 2 BGB sowie überhaupt §§ 312 ff. BGB, darin stipulierten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB bzw. Ausnahmen davon.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Ich hab mir die Normen mal angesehen. Meiner Meinung würde es sich, wenn im vorliegenden Fall bereits ein Vertrag gschlossen worden wäre, um einen Fernabsatzvertrag gemäß §312c BGB handeln, bei dem dem Verbaucher gemäß §312g iVm §355 ein Widerrufsrecht steht. Wenn sogar bei einem bereits geschlossenen Vertrag ein Widerrufsrecht existiert, muss es ja bei einem noch nicht geschlossenen Vertrag erst recht möglich sein, den Antrag zu widerrufen, würde man meinen.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Choryphäe124 hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:17 Ich hab mir die Normen mal angesehen. Meiner Meinung würde es sich, wenn im vorliegenden Fall bereits ein Vertrag gschlossen worden wäre, um einen Fernabsatzvertrag gemäß §312c BGB handeln, bei dem dem Verbaucher gemäß §312g iVm §355 ein Widerrufsrecht steht. Wenn sogar bei einem bereits geschlossenen Vertrag ein Widerrufsrecht existiert, muss es ja bei einem noch nicht geschlossenen Vertrag erst recht möglich sein, den Antrag zu widerrufen, würde man meinen.
Diese Logik geht mE nicht auf, weil 355 und 145ff. auf unterschiedlichen Ebenen operieren. 355 ist eine recht junge Verbraucherschutzvorschrift, die es dem Verbraucher erlaubt, einen schon geschlossenen Vertrag zu widerrufen. 145ff. sind uralte (original-BGB von 1896) Vorschriften aus dem Allgemeinen Teil, die bereits regeln, wie ein Vertrag geschlossen wird (die also logisch vor dem Widerruf greifen) und allgemein gelten, nicht nur für Verbraucher.

Ich würde es hier sehen wie Herr Kaiser: Kein Widerruf des Antrags, aber Erlöschen des Antrags durch Zeitablauf, weil die Annahme früher hätte erfolgen müssen.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Oder alternativ: Die ursprüngliche Mail war überhaupt kein Angebot, sondern eine invitatio ad offerendum - eine Anfrage an den Rechtsanwalt, ob er bereit wäre, hier mandatiert zu werden. Der eigentliche Vertragsschluss kommt dann erst hinterher, bzw. in diesem Fall kommt es dann gar nicht erst dazu.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Die Logik des Rechts ist - zumindest für einen Laien - ab und zu schwer ergründlich. Es erscheint mir sehr sonderbar, dass der Antrag immer noch angenommen werden könnte und es einfach keine Vorschrift gibt, die die Möglichkeit des Widerrufs regelt. Naja, was soll's^^
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Ach, an die invitatio ad offerendum hab ich noch gar nicht gedacht, das erscheint mir pausibel.
KMR
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von KMR »

Choryphäe124 hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:31 Die Logik des Rechts ist - zumindest für einen Laien - ab und zu schwer ergründlich. Es erscheint mir sehr sonderbar, dass der Antrag immer noch angenommen werden könnte und es einfach keine Vorschrift gibt, die die Möglichkeit des Widerrufs regelt. Naja, was soll's^^
Das entscheidende Stichwort und auch den Unterschied zwischen Angebot und invitatio ad offerendum bildend ist der sog. Rechtsbindungswille. Wenn man eben eine Erklärung mit dem Willen abgibt, sich rechtlich entsprechend der Erklärung oder damit zusammenhängender Rechtsfolgen binden zu wollen bzw. diese Rechtsfolgen herbeiführen zu wollen, dann ist es durchaus nachvollziehbar, dass das nicht zurückgenommen werden kann. Denn man hätte eben von vorneherein seine Erklärung ohne Rechtsbindungswillen abgeben können/müsen. Zudem vertraut gerade der Erklärungsempfänger eben auch auf die Erklärung des anderen Teils, das heißt hier ist auch der Schutz des Erklärungsempfängers betroffen. Ob jedoch in der konkren Situation ein Rechtsbindungswille bestand, ist dann eine Frage der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB anhand des sog. objektiven Empfängerhorizontes.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Ja, anhand deiner Ausführungen erscheint das Ganze doch nachvollziehbar.

Aber nochmal zur invitatio ad offerendum:
Ich habe nochmal darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es zwingend eine invitatio ad offerendum sein muss. Wenn der Antragsteller sich nur bereit erklärt, Gebühren zu bezahlen, aber nicht explizit schreibt "Wollen Sie mich für Preis x beraten?" kann das meines Erachtens keine wirksamer Antrag sein. Da müsste ja explizit ein Betrag genannt sein, oder? Ist ja gut möglich, dass es sich der Verbraucher nach Nennung des evtl hohen Preises noch anders überlegt, weil er mit viel niedrigeren Kosten gerechnet hat.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Choryphäe124 »

Der Antrag wäre in diesem Fall mE nicht hinreichend konkret bestimmt.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Unabhängig von einer denkbaren invitatio: Selbst wenn es keine wäre, dann wäre einfach § 147 II BGB anzuwenden. Damit gilt eine Annahmefrist kraft Gesetzes, die sich aus Sicht des Antragenden (was er erwarten darf) bestimmt. Würde zwei Wochen als zu lange ansehen. Wenn dann nichts passiert, dann wäre dieses "Angebot" nicht mehr annahmefähig, vgl. § 150 I BGB.
Wenn er zwei Wochen später reagiert, ist nach § 150 I BGB die Annahme des RAs als neuer "Antrag" zu sehen (wenn überhaupt RB). Jedenfalls wäre so kein VT zustande gekommen.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Choryphäe124 hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:31
Die Logik des Rechts ist - zumindest für einen Laien - ab und zu schwer ergründlich. Es erscheint mir sehr sonderbar, dass der Antrag immer noch angenommen werden könnte und es einfach keine Vorschrift gibt, die die Möglichkeit des Widerrufs regelt. Naja, was soll's^^
Doch, die gibt es: § 147 II (dann § 150 I)
§ 150 I ist eine Umdeutung kraft Gesetzes: Bei Verfristung erlischt er dann gem. § 147 II, 146 I BGB. Und deswegen deutet § 150 I BGB dann einfach um mit ("gilt) als neuer Antrag.

Der Widerruf ist auch geregelt: § 130 I 2 BGB (bis zum Zugang). Ab (ohne vorherigen Widerruf) Zugang ist die Erklärung wirksam, und damit ist die Bindungswirkung des Antrags auch entstanden.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

KMR hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:43 Zudem vertraut gerade der Erklärungsempfänger eben auch auf die Erklärung des anderen Teils, das heißt hier ist auch der Schutz des Erklärungsempfängers betroffen.
Das Argument ist zirkulär: Es setzt die Bindungswirkung des Antrags voraus, begründet sie aber nicht. Der Erklärungsempfänger kann nur deshalb auf das Angebot der anderen Seite vertrauen, weil es im BGB eine Vorschrift gibt, die eine Bindung des Antragenden an sein Angebot vorsieht. Wenn wir in einem Rechtssystem leben würden, in dem Angebote grundsätzlich bis zur Annahme frei widerruflich sind (so z.B. im common law), dann gäbe es auch keinen Anlass für den Erklärungsempfänger, auf das Angebot zu vertrauen.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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